Kleinplanetentagung 2005 – Bericht Griesser

Über die Rumpelstraße zu neuem Asteroidenwissen

von Markus Griesser, 151 Winterthur

Prächtiges Wetter, ein dichtes, lehrreiches und sehr abwechslungsreiches Tagungsprogramm, eine Rekordzahl an Teilnehmenden aus nicht weniger als sechs verschiedenen Ländern und dazu die überaus herzliche Gastlichkeit der lokalen Sternfreunde. Die diesjährige Fachtagung der Fachgruppe Kleinplaneten des VdS, die vom 17. bis 19. Juni auf der Starkenburg-Sternwarte in Heppenheim über die Bühne ging, war wieder mal rundum ein Genuss.

Juni und Vollmond heißen die beiden Grundvorrausetzungen, damit sich die introvertierten Kleinplanetler überhaupt aus ihren Locations wagen und wenigstens unter Ihresgleichen begeben. Dabei nehmen sie oft weite Anreisen in Kauf. Krönender Abschluss der diesjährigen Reise war für viele die einfach einzigartige Buckelpiste vom Heppenheimer Stadtgrund aus hinauf zur Starkenburg. Das grobe Kopfsteinpflaster und die unzähligen Schlaglöcher massierten jeden Wageninsassen von den Zehenspitzen bis zur Kopfhaut durch. Doch – so ließ ich mir sagen – sei das bis ins Knochenmark und in jede Zahnfüllung spürbare Geholper von den Heppenheimern bewusst und raffiniert geplant: Hauptsächlich soll die einfach grauenhafte Zufahrtstrasse dazu dienen, die Gäste auf ihrem letzten Wegstück hellwach und solchermaßen aufnahmebereit in der Sternwarte ankommen zu lassen. Darin liege auch das Geheimnis der überaus rege besuchten Vorträge, mit denen sich die Starkenburger Sternfreunde seit Jahren profilieren…

66 Teilnehmer aus den Ländern Deutschland, Österreich, den Niederlanden, Luxemburg, Russland und der Schweiz hatten sich zur diesjährigen Kleinplaneten-Tagung angemeldet. Begrüßt wurde die muntere Schar gleich vierfach erst durch Matthias Busch als Vertreter der gastgebenden Starkenburg-Sternwarte und Gerhard Lehmann, den Fachgruppenleiter. Otto Guthier, der als 1. Vorsitzender des VdS in Heppenheim lebt, überbrachte die Grüsse der bundesweiten Vereinigung der Sternfreunde. Und Gerhard Herbert, der kürzlich neu gewählte Heppenheimer Bürgermeister, hieß dann nach dem ersten Referat die Gäste offiziell in seiner schönen Gemeinde willkommen. Seine Präsenz unterstreiche den Willen der Stadt, die Starkenburg-Sternwarte weiterhin im Rahmen des Möglichen zu unterstützen. Diese Äußerung wurde vom Plenum mit sichtlicher Befriedigung quittiert.

„Asteroiden haben Vorrang!“

Den Tagungsauftakt macht mit Erwin Schwab einer der Pioniere der gastgebenden Starkenburg-Sternwarte. In seiner fesselnden und mit vielen persönlichen Reminiszenzen durchsetzten Rückblende in die Anfänge des Observatoriums erinnerte er an den Leitsatz des Sternwarte-Mitbegründers Alfred Sturm: „Kleinplanetenbeobachter haben auf unserer Sternwarte Vorrang!“ Getreu diesem Grundsatz versuchte klein Erwin schon 1981 erste Positionsbestimmungen an einem fotografisch erfassten Asteroiden. Er hatte dafür einen Plattenmesstisch der Landessternwarte Heidelberg, den damals besten Sternkatalog AGK3 sowie einen Taschenrechner zur Verfügung. Zusammen mit seinem Kollegen Holger Mandel – heute Berufsastronom in Heidelberg – rackerte sich der junge Sternfreund für die Vermessung seiner Fotos mit gerade mal drei Positionen stolze acht Stunden lang ab. „Danach hatten wir beide die Schnauze voll, und das gründlich“, beschrieb Erwin Schwab drastisch seine damalige Befindlichkeit nach diesem Auswerte-Marathon.

Mitte der neunziger Jahre gab’s dann die erste CCD-Kamera. Die Freude an den ersten astrometrischen Messungen hielt sich allerdings sehr in Grenzen, denn Brian Marsden beurteilte die ersten eingeschickten Positionen mit Residuen größer als fünf Bogensekunden – vorsichtig ausgedrückt – als nicht gerade hilfreich für die Verlängerung eines Bahnbogens. Doch bekanntlich lernt man nirgends mehr als aus Fehlern: Mit dem neu angeschafften HGSC und den ersten DOS-Versionen von Herbert Raabs Astrometrica stießen die Heppenheimer Asteroiden-Jäger rasch in die Profi-Liga vor. Als Belohnung und zur Motivation für weitere Taten gab’s von Freimut Börngen und Lutz Schmadel einen Tautenburger Asteroiden mit dem offiziellen Namen „Starkenburg“ überreicht, worauf nur ein Jahr später auch schon die erste eigene Entdeckung folgte. Die Zahl von Neusichtungen erhöhte sich ab 1999 sprunghaft mit der Anschaffung einer Apogee AP-7- Kamera, und auch bei den Bestätigungen von mutmaßlich neuen Erdbahnkreuzern aus der NEO Confirmation List tauchte fortan mit schöner Regelmäßigkeit der Stationscode 611 in den Publikationen des Minor Planet Center auf.

Eine Sternstunde der eigenen Art realisierten im Jahre 2000 der damals schon hochaktive Reiner Stoss mit seinem Essener Kollegen André Knöfel: Auf fünf Platten des digitalisierten POSS wiesen die beiden erfahrenen Amateure je eine Spur des später „Varuna“ genannten Asteroiden Nr. 20.000 nach, ein transneptunisches Objekt (TNO). Die vom MPC publizierten Precoveries fanden international große Beachtung und trugen den Namen der Starkenburg-Sternwarte in die ganze Welt hinaus.

Weitere Sternstunden genießen jene Heppenheimer Kollegen, die für jeweils einen einwöchigen Astro-Urlaub auf den Calar Alto reisen, wo sie mit einem 1,5m-Profi-Teleskop nach exotischen Asteroiden greifen. Fünf Mal war die Gruppe rund um Matthias Busch schon oben auf dem spanischen Berg, und auch ihre Ausbeute von diesen Forschungsexpeditionen ist eindrücklich. – Doch mehr davon später.
Zur Sternfinsternis nach Mallorca

Die spanische Ferieninsel Mallorca bereitet manch einem deutschen Touristen mit dem Ballermann finstere Momente – zumindest in den Nachwirkungen der alkoholischen Exzesse. Sollten gestandene Ballermänner allerdings vernehmen, dass sich einer für ein gerade mal viereinhalb Sekunden dauerndes „Blackout“ auf Besäufnis-Insel begibt, tippt sich wohl mehr als nur einer an die Stirn. Kernfrage also: Was ist ein wirklich leidenschaftlicher Amateurastronom? Dr. Eberhard Bredner, der sich selber scherzhafterweise als Okkultist bezeichnet, gab die Antwort gleich mit dem Titel seines Referates: „Für 4,5 Sekunden nach Mallorca“. Seine mit Dias unterlegte Geschichte ist folgende:

Am 24. November 2004 bedeckte der Asteroid (308) „Polyxo“ den Stern 6. Größe HIP 57629. Die vom tschechischen Spezialisten Jan Marek vorausberechnete Zentrallinie lief dabei über den nördlichen Teil der Insel Mallorca. „Fliegen wir mal dahin“, sagte sich unser Referent und nahm für dieses äußerst kurze Abenteuer gleich auch noch den durch seine Astro-Publikationen sehr bekannten Sternfreund Daniel Fischer mit. Dritter im Bund war eine möglichst leicht gehaltene Ausrüstung für die Beobachtung dieser Sternbedeckung, bestehend aus der Video-Kamera samt Optik, einem kleinen Refraktor und natürlich dem Zeitgeber samt Video-Rekorder. Als unser Freund beim Einchecken ins Flugzeug seinen mit Elektronik voll gestopften Koffer als persönliches „Hand“-Gepäck in die Kabine mitnehmen wollte, bekamen die Sicherheitsleute juckende Hände – und unser Freund jede Menge Schwierigkeiten! Bredners Tipp dazu lautet heute, dass man sich möglich vor Antritt der Reise bei der Fluggesellschaft eine Sondergenehmigung für solch heikle Gepäckstücke besorgen sollte. Anmerkung: Nachdem der Schreibende vor Jahren mal mit den für Fotoentwicklungen nötigen Chemikalien (weißes Pulver, portioniert in kleinen Plastiksäckchen!) im Handgepäck in Australien einzureisen versuchte, weis auch er, wie man bei Sicherheitsorganen den Adrenalinspiegel hebt…

Unsere beiden Abenteurer schafften es jedenfalls rechtzeitig zur Ballermann-Insel, besorgten sich dort einen Leihwagen und fuhren dann gleich mal los zum OAM, der großen Sternwarte im Zentrum von Mallorca. Sie wurden sehr freundlich empfangen, konnten alles besichtigen und durften – sinnigerweise in sternendekorierter Bettwäsche – sogar einige Stunden Schlaf tanken. Für Bredner unbegreiflich blieb aber die Tatsache, dass keinerlei Vorkehrungen am OAM getroffen worden waren, um die Sternbedeckung ebenfalls mitzuverfolgen: „Da haben die eine so schöne Sternwarte mit allem was dazu gehört und lassen ein solches Ereignis einfach so vorübergehen“, regt er sich noch heute auf.

In der nächsten Nacht startete in den frühen Morgenstunden dann das große Ereignis. Daniel Fischer bezog seinen Standort im noch etwas nördlicher gelegenen Inselteil. Doch leider wurde es „keine schöne Beobachtung“, wie sich Eberhard Bredner ausdrückte und auch dokumentierte: Eine erhebliche Zeitdifferenz beim Beginn und Ende der Verfinsterung lag zwischen den beiden Beobachtungen und machte sie so gut wie wertlos. Ärgerlich zwar, aber eben nicht mehr zu ändern. Sehr gewundert haben sich dann die Bedeckungsspezialisten über die Beobachtung eines spanischen Astronomen auf der Zentrallinie, der überhaupt keine Verfinsterung wahrnahm. Bredner dazu lakonisch: „Wahrscheinlich hat der den falschen Stern erwischt!“ Seine Empfehlung: Sich immer genügend Zeit für die Einstellung der Geräte gönnen und sich wirklich sauber vergewissern, dass man den richtigen Stern im Visier hat. Er hat sich zudem angewöhnt, das Ereignis immer auch visuell am parallel zur Aufnahmeoptik installierten Teleskop mitzuverfolgen und alle Wahrnehmungen und Empfindungen über ein Headset auf Band zu sprechen.

Aber nochmals: Man muss eine Sache wirklich sehr, sehr mögen, wenn man für ein gerade mal 4,5 Sekunden dauerndes Naturereignis eine derart weite Reise in Kauf nimmt und trotz des Misserfolges dann immer noch lachen mag. Doch die nächste wirklich ganz besondere Sternfinsternis steht bereits vor der Tür: Am 19. Oktober wird für eine gute Sekunde lang Regulus durch den etwa 35 Kilometer großen Kleinplaneten (166) Rhodope verdeckt. Einen Wimpernschlag lang wird also das helle Licht des Löwen-Hauptsternes ausgeblendet – eine echte Herausforderung nicht nur für eingefleischte Okkultisten. – Was die uns darüber wohl in der nächsten KP-Tagung berichten werden?
„So was gibt’s jetzt auch in Holland!“

Mit Harrie Rutten, dem quirligen und immer fröhlichen Sternfreund aus Arcen, Holland, hat die ständig wachsende Fachgruppe von uns Kleinplanetlern eine besondere Bereicherung erfahren. „So was brauchen wir auch in Holland!“, hat er am Schluss der letztjährigen Tagung in Essen begeistert angekündigt. Und so berichtete er nun konsequenterweise über das erste Meeting von Sternfreunden in Holland, die sich zur Gründung der „Dutch Minor Planet Association“ (DMPS) am 6. Februar 2005 getroffen haben. Stargast und Hauptreferentin war die mittlerweile 83jährige Dr. Ingrid von Houten-Groeneveld, die bekanntlich zusammen mit ihrem Gatten auf den von Tom Gehrels auf Palomar belichteten Platten mehrere tausend Kleinplaneten entdeckt hat, darunter viele der gesuchten Trojaner. Das zweite Hauptreferat bestritt mit Thomas Payer aus Essen ein junges Mitglied unserer Fachgruppe.

Der geglückte Auftakt brachte nun in unserer holländischer Schwesterorganisation 34 Fachgruppenmitglieder, zeigte aber auch Grenzen auf: Momentan stehen offenbar kaum größere Instrumente zur Verfügung. Dazu ist die in den Niederlanden sehr ausgeprägte Lichtverschmutzung ein großes Problem. Immerhin konnte Rutten von einem im Bau befindlichen 25cm/f3-Teleskop in Mill berichten, dass mit einem großen 25 x 25 mm-Chip remote-mässig betrieben werden soll.
Ein Leben für und mit den Asteroiden

Ein besonderes Ereignis war das freie und ohne irgendwelche Hilfsmittel gehaltene und auch schon deshalb ungemein eindrückliche Referat von Professor Dr. Joachim Schubart, der über sein erlebnisreiches Berufsleben berichtete. Auch mit mittlerweile 76 Jahren ist dieser bekannte Fachmann am Astronomischen Recheninstitut in Heidelberg noch immer aktiv.

Schubart begann sein bewegtes wissenschaftliches Leben mit einer Doktorarbeit über einen Asteroiden, dessen Bahnverhalten er mit endlos langen Störungsrechnungen nachvollzog. Was heute jeder PC in Minutenschnelle erledigt, beanspruchte damals noch – „von Hand“ – Wochen und Monate. Er habe für die äußerst mühsame Rechenarbeit sogar über ein Jahr gebraucht, meinte der Referent. Etwas vom Wichtigsten seien dabei scharfe Eigenkontrollen gewesen, weil sich allfällig eingeschlichene Rechenfehler in fataler Weise fortgepflanzt hätten: „Gefährlich wurde es immer dann, wenn man sich etwas Alkohol gegönnt hatte!“

Als die Gattin und wissenschaftliche Mitarbeiterin des bekannten Sonnebergers Veränderlichenforschers Paul Ahnert starb, erhielt Joachim Schubart Gelegenheit, ihre Nachfolge anzutreten. Auf der Sternwarte Sonneberg im damals noch ungeteilten Deutschland entwickelte er in Zusammenarbeit mit Cuno Hoffmeister dann eine fruchtbare Beobachtungstätigkeit. Schubart entdeckte hier die Asteroiden (2000) „Herschel“ und (4724) „Brocken“. Zahlreiche Publikationen über seine vielfältigen Arbeiten erschienen in den „Astronomischen Nachrichten“ sowie in der Zeitschrift „Die Sterne“.

Eigentlich sei es ihm sehr wohl in Sonneberg gewesen. Doch als er sich am denkwürdigen Tag des Mauerbaus, am 13. August 1961, zufällig im Westen aufhielt, beschloss er spontan, nicht mehr zurückzukehren. Er fand am ARI eine neue Stelle, lernte den Umgang mit den damals noch sehr elementaren elektronischen Rechnern und erarbeitete mit umfangreichen Programmierungen eine recht präzise Voraussage der „Amor“-Opposition von 1964. Prägende Impulse vermittelten ihm zwei längere Forschungsaufenthalte in den USA, einerseits am SAO und andererseits an der Yale University.

Seit 1993 ist Professor Schubart im Ruhestand, verfolgt aber immer noch mit großem Interesse die Entwicklungen in seinen Fachgebieten. Besondere Aufmerksamkeit widmete er über Jahre hinweg und immer wieder dem lange verschollenen Asteroiden „Hermes“. Aufgrund der vorliegenden Positionen aus dem Jahre 1937 rechnete er in Zusammenarbeit mit seinem ARI-Kollegen Dr. Lutz D. Schmadel eine Reihe von Variationsbahnen und bat dann 2001 einen Beobachter im australischen Siding Spring Observatory um eine Nachschau in einem bestimmten Himmelsfeld. Die Suche verlief negativ. Doch als dann im Oktober 2003 „Hermes“ zufällig in den USA wieder gefunden wurde, zeigte eine weitere Kontrolle, dass sich der Asteroid auf den Aufnahmen von 2001 sehr wohl abgezeichnet hatte, und zwar unweit der vorausberechneten Stelle. So bleibt den beiden Heidelberger Wissenschafter heute wenigstens die Genugtuung, dass sie mit ihr Rechnerei durchaus auf der richtigen Spur waren. Bitterkeit über die so knapp verpasste Re-Covery ist beim Referenten jedenfalls keine zurückgeblieben, wohl aber Freude am heute so großen und erfolgreichen Engagement der Amateure gerade auf dem Gebiet der Kleinplaneten. Und dass Professor Schubart an dieser Tagung teilnahm, hat eben auch mit dieser, seiner sehr persönlichen Wertschätzung zu tun.
Zur Beobachtung nach Spanien

Vom 5. bis 10. Mai weilten Matthias Busch, Mike Kretlow und Felix Hormuth zum fünften Mal auf dem 2165 Meter hohen Calar Alto in Südspanien. Dem Team stand dank persönlicher Beziehungen erneut das spanische 1,52 Meter-Teleskop mit 12 Metern Brennweite für fünf Nächte zur Verfügung. Eine sorgfältig vorbereitete Arbeitsliste sah verschiedene astrometrische und fotometrische Beobachtungen vor. Auffällig dabei: NEOs sind heute immer weniger zu recovern, denn die neuen Surveys erreichen mittlerweile locker die 22. Größenklasse. Mit ihren riesigen Gesichtsfeldern servieren diese neuen „himmlischen Rasenmäher“ diese interessanten Objekte frühzeitig ab.
Live in Hawaii

Einer der Höhepunkte dieser Tagung war zweifellos die geschickt eingeplante halbstündige „Live“-Session am 2-Meter-Faulkes-Telekop North, das auf der Insel Maui (Hawaii) in der Nähe einer amerikanischen Armee-Einrichtung steht. Das von einem reichen Engländer für Schulprojekte mit rund 15 Millionen Euro (!) finanzierte Teleskop steht in beschränktem Umfang auch den beiden Fachgruppenmitgliedern und wissenschaftlichen Mitarbeitern am Faulkes-Teleskop Lothar Kurtze und Felix Hormuth zur Verfügung. Aus der Fachgruppe heraus konnten die Mitglieder Beobachtungsvorschläge einreichen. Ausgewählt für die halbe Stunde Beobachtungszeit von 14.30 bis 15.00 Uhr wurden dann die drei Objekte 2005 LW23, Pluto sowie der „Tautenburger“ 1994 TL16. Sofort nach der Eingabe der Koordinaten konnte man über eine WebCam in Echtzeit mitverfolgen, wie das Teleskop in Stellung fuhr und dann die je drei Aufnahmen machte. Als Aufnahmesensor dient auf der Station F65 ein mit Stickstoff gekühlter 2048 x 2048-Chip, der wegen der langen Brennweite aber nur gerade ein Gesichtsfeld von 4,5 x 4,5 Bogenminuten abbildet.

Das Experiment gelang vollumfänglich. Kein einziger so genannter Demo-Effekt schlich sich ein: Ein deutlicher Hinweis darauf, wie sicher Remote-Teleskope mittlerweile geworden sind. Leider aber ist die Sache nicht gerade billig. 3 x 30 Beobachtungsminuten auf dem Faulkes-Teleskop kosten einen deutschen Benutzer, der dazu vorzugsweise aus dem Schulbereich stammen muss, stolze 250 britische Pfund, wie Lothar Kurtze anmerkte.
Gute Erfahrungen mit der „Frühstücks-Astronomie

Von guten Erfahrungen mit einem kommerziellen Remote-Teleskop wusste auch Rolf Apitzsch, Betreiber der Station 198 im Schwarzwald, zu berichten. Zur Verifikation seines ersten entdeckten Kleinplaneten 2004 CO25 mutierte er, wie er launig anmerkte, wegen der Zeitverschiebung zwar nicht gerade zum „Pyjama“-, aber wenigstens zum „Frühstücks“-Astronomen. Er setzte sich mit der Arnie Rosner Enterprises in Verbindung, die unter dem klaren Himmel New Mexico in 2000 Metern Höhe eine Station mit mehreren hochwertigen Takahashi-Teleskopen betreibt. Diese Teleskope lassen sich über einen gewöhnlichen Internet-Browser mit einer Eingabemaske steuern. Ein Einsteigerpaket, das insgesamt drei Beobachtungsstunden umfasst, kostet 100 Dollar – zahlbar im Voraus! Für Vielbeobachter gibt’s attraktive Mengenrabatte. Mehr zahlen hingegen jene, die ein Teleskop für eine bestimmte Beobachtungszeit reservieren möchten. Jedenfalls kam im Plenum kurz die Diskussion auf, ob man sich heute nicht gescheiter den Bau einer eigenen Sternwarte spart und dafür reichlich Beobachtungszeit auf einem Internet-Teleskop bucht. Rolf Apitsch war mit der von Arnie Rosner gebotenen Leistung sehr zufrieden, obwohl er weiterhin mit seinem prächtigen Selbstbau-Newton vom Schwarzwald aus zu beobachten gedenkt.
Kleinplanetenarbeit in der Statistik

Dass unser Fachgruppenleiter Gerhard Lehmann ein ausgewiesener Statistik-Fan ist, wissen mittlerweile sogar Neulinge in unserer Fachgruppe. Und so überraschte er uns auch an dieser Tagung wieder mit einem eigenhändig geschriebenen Programm, mit dem sich die Beobachtungsdaten aufdröseln, gruppieren und natürlich vor allem übersichtlich und aufschlussreich darstellen lassen. Wer hat in welchem Zeitraum welche kosmischen Kleinkörper beobachtet? Gerhard Lehmanns Programm „Minor Body Statistic“ beantwortet diese und noch viele weitere Fragen. Beispiele: Wo standen die Objekte am Himmel? Wie hell waren sie? Interessant waren außerdem einige fertig erstellte Grafiken, welche die Arbeit der gesamten Kleinplanetengruppe dokumentierten. Darüber berichtete Gerhard Lehmann dann am Sonntagmorgen in einem zweiten Kurzreferat.
Digitale Rettung der Palomar-Leiden-Platten

In den sechziger und siebziger Jahren hat das Ehepaar Cornelis Johannes und Ingrid van Houten-Groeneveld in Zusammenarbeit mit Tom Gehrels den berühmten Palomar-Leiden-Survey durchgeführt. Schwergewichtig ging es damals darum, mit der 48-Zoll-Schmidtkamera auf Palomar möglichst viele Jupiter-Trojaner zu entdecken. Insgesamt resultierten aus diesem großen Projekt bis heute 3382 nummerierte Kleinplaneten.

Dr. Lutz D. Schmadel berichtet in seinem Referat von den bereits fortgeschrittenen Plänen, die damals belichteten Platten zu digitalisieren und deren Informationsgehalt vor dem Verfall zu retten. Ein komplexer und mehrschichtiger Prozess: Nach der alles andere als einfachen Reinigung mit einem möglichst schonenden Reinigungsmittel geht es zunächst mal um die Digitalisierung. Die 35 x 35 cm großen Platten werden dafür in einen handelüblichen, aber offenbar mit allerlei technischen Tücken ausgestatteten A3-Flachbettscaner gelegt. Weil aber das A3-Format zu klein ist, muss jede Platte mit einer 180-Grad-Drehung zweimal gescannt werden, was die Datenmenge in einsame Höhen treibt! Die Rede war von einem Terrabyte Speichervolumen … Doch ist dies immer noch wesentlich kostengünstiger als der Bau eines formatfüllenden Flachbettscanners, für den Hunderttausende von Euros hinzublättern wären. Für die genaue Astrometrie sind dann diverse Korrekturen nötig. Schön bei diesem Projekt ist, dass Reiner Stoss mit seinen umfassenden Kenntnissen auf Honorarbasis mitarbeiten darf, als „HiWi“ wie er betont und gleich schmunzelnd ergänzt, diese Bezeichnung stehe dann für – „Hilfswissenschafter“…
Massenbestimmungen

Wie Mike Kretlow in seinem anspruchsvollen Referat darlegte, hat er sich in den letzten Wochen wieder mal mit dem Thema der Massenbestimmung von Asteroiden beschäftigt. Interessant sind solche Bestimmungen eben auch, weil sich daraus das Volumen und somit die Massendichte ableiten lassen. Anhand von hochgenauen Ephemeriden zeigen sich bei der Annäherung von zwei Asteroiden gravitative Interaktionen, die sich dann für eine Massenbestimmung ausnutzen lassen. Waren im Zeitraum von 1966 bis 1989 die Massen erst von vier Kleinplaneten bekannt, nämlich von Vesta, Ceres, Pallas und Hygia, so sind es bis heute vor allem auch dank Radarmessungen und Messungen durch interplanetare Raumsonden immerhin schon etwa 30 Asteroiden, der Massen bestimmt wurden.
An vier Asteroiden hat Mike Kretlow mit Hilfe eines zweiten Asteroiden mittlerweile seine Rechenkünste ausprobiert. Er nannte als Beispiel den Asteroiden (29) Amphitrite, dessen mittlere Dichte er zu 2,4 g/cm3 bestimmte.
508 nummerierte Tautenburger Kleinplaneten

Momentan seien 508 Tautenburger Kleinplaneten nummeriert und rund 400 tragen inzwischen einen Namen, berichtete Dr. Freimut Börngen in seinem hübschen Referat, in dem er auf die Systematik bei seinen vielen Namensgebungen verwies. Schwerpunkte in den Benennungen liegen unverkennbar in den Gruppen Musik, Geografie, NS-Opponenten, Wissenschaft sowie Kunst und Kultur. Wer die von Freimut Börngen gewählte Citations aufmerksam liest, erfährt sehr viel über all das, was ihn als Forscher und Menschen bewegt. Seine stets sachkundig und einfühlsam formulierten Würdigungstexte zeichnen das Bild eines humanistisch gesinnten Wissenschafters, der sich trotz seiner bald 75 Lebensjahre intensiv mit dieser Welt und ihrer Vielfalt auseinandersetzt.
Ehrung von Dr. Freimut Börngen

So war denn auch der letzte Beitrag an diesem Samstag dem verdienten Astronomen aus Jena gewidmet, der bis dahin an keiner Fachtagung gefehlt hat. Es wurde eine gelungene Überraschung: In einer gehaltvollen Laudatio mit dem bezeichnenden Titel „Per aspera ad astra“ zeichnete der FG-Vorsitzende Gerhard Lehmann das bewegte Berufsleben von Freimut Börngen nach. Er verwies auf die Probleme, die der liberal denkende Astronom während der DDR-Zeit hatte und gab seinem Respekt Ausdruck, mit welcher Konsequenz und Beharrlichkeit Börngen die Kleinplanetenforschung neben seiner eigentlichen Berufsarbeit betrieben hat. Doch auch dem Menschen und Freund vieler Amateurastronomen widmete Gerhard Lehmann einige dicke Kränzchen, bevor er ihm dann im Namen der Fachgruppe einen schön präparierten Eisenmeteoriten als ehrendes Geschenk für seine über 500 entdeckten Kleinplaneten überreichte. Und da auch Barbara Börngen während langen Jahren ihren Freimut in der Abgeschiedenheit der Tautenburger Sternwarte begleitet und manche Entbehrung auf sich genommen hat, gab es für sie als symbolisches Geschenk und als Kontrapunkt zum Eisenmeteoriten einen hübschen Seidenschal.
Der prall gefüllt erste Tagungstag fand so für einmal einen fast festlichen Abschluss.

In der gemütlichen Gaststätte „A-Z“ gleich neben dem imposanten Heppenheimer Dom klang der Abend aus. Auf der luftigen Terrasse „mit Mehrsicht“ in Richtung des imposanten Weinberges, auf dem die Starkenburg droht, bestand ausgiebig Gelegenheit, im Freundeskreis manche Erfahrung auszutauschen und auch über Gott und die Welt zu plaudern. Die Zeit verflog so im Nu.
Eine Pre- und Re-Covery mit schalem Nachgeschmack

Bereits um 9 Uhr ging es dann am Sonntag wieder los. Erich Meyer aus Linz hatte es übernommen, mit seinem Referat auf eine sehr spannende Geschichte rund um den TNO 2003 UZ117 hinzuweisen – eine Story allerdings ohne Happy End…

Es war wieder mal der aufmerksame Reiner Stoss, der im Frühherbst 2004 bemerkte, dass das Transneptun-Objekt 2003 UZ117 mit einem beobachteten Bogen von gerade mal 29 Tagen wieder in Opposition geriet. Seine Nachrechung ergab allerdings eine inzwischen auf satte plus / minus 3,2 Winkelgrade aufgelaufene Unsicherheit in der Position – für eine allfällige Re-Covery mit Amateurmitteln bei nur gerade 21.Grösse nicht gerade einladend für Beobachtungsversuche. Doch der adleräugige Reiner fand drei weitere damals unbemerkte Beobachtungen der Station 644 aus dem Jahr 2002 und verlängerte damit den Bahnbogen des 2003 UZ117 auf stolze 345 Tage. So sank dann der Unsicherheitsbogen auf nur mehr gerade 0,3 Bogengrad. Am 18. September 2004 gelang Erich Meyer problemlos mit seinem prächtigen 60cm-Teleskop, trotz der kleinformatigen und älteren ST-6-Kamera in Linz drei aus 11 bis 15 Frames gestackten Aufnahmen mit je drei Minuten Belichtungszeit der erhoffte Volltreffer.

Die drei sauber vermessenen Positionen gingen zur Kontrolle an den ultra-kritischen Reiner Stoss und dann gemeinsam mit den zuvor ermittelten Precoveries ans MPC. Doch merkwürdigerweise publizierte Brian Marsden das damit sofort fällige MPEC erst am übernächsten Tag und zwar mit einer zusätzlichen Beobachtungsstaffel von 246 vom Vorabend. „Daran hatten wir überhaupt keine Freude“, kommentierte Erich Meyer mit diplomatischen Worten diese unerwartete „Ergänzung“ aus Tschechien. Tatsächlich saß aber die Enttäuschung bei unseren beiden Freunden tief. Die Vermutung blieb im Raum stehen, dass das MPC die noch unpublizierten Daten aus Linz und Darmstadt an die Profis von Klenot weitergegeben hatte. Beim Leistungsausweis und der Erfahrung unserer beiden Freunde wirklich nicht gerade die feine Art …
Software aus Russland

Oleg Bykov aus St. Petersburg arbeitet am berühmten Pulkovo-Observatorium bei St. Peterburg in Russland. Sein Hauptinstrument ist ein 26-Zoll-Refraktor, der aus Reparationsleistungen nach dem Zweiten Weltkrieg von Deutschland nach Russland überführt wurde. Bykov erinnerte in seinem englisch gehaltenen und von Rainer Kresken simultan übersetzten Vortrag zunächst an die wechselvolle Geschichte des Observatoriums, das nach Gründung im Jahre1839 vom deutschstämmigen Astronomen Georg Wilhelm Struve geführt worden war. Die Sternwarte wurde dann im Zweiten Weltkrieg komplett zerstört, verlief doch die damalige Frontlinie mitten durch das Sternwarte-Gelände. Nach dem geglückten Wiederaufbau und viel wohlwollender Förderung in der Sowjetzeit steckt Pulkovo heute in tiefen, ja sogar existenzbedrohenden finanziellen Schwierigkeiten: Rund ein Drittel des 120-köpfigen Wissenschafter-Stabes ist momentan nach Aussagen von Oleg Bykov von der Entlassung bedroht.

Doch der Kollege aus Russland war hautsächlich nach Heppenheim gekommen, um zwei an seinem Institut neu entwickelte Computer-Programme kurz vorzustellen. IZCCD ist ein Programm, mit dem die Qualität von astrometrischen Messungen beurteilt werden kann. EPOS, das zweite Programm, ist der Nachfolger von CERES. Es dient der Ephemeriden-Rechnung. Mehr Informationen gibt es über sie im Internet, denn leider reichte die Zeit nicht für eine praktische Demonstration.
Auf Plutos Spuren

In einem sorgfältig recherchierten wissenschaftshistorischen Vortrag erinnerte Jens Kandler von der Sternwarte Drebach, an die Pluto-Entdeckung vor 75 Jahren. Pluto ist der kleinste Planet und zugleich auch jener Sonnentrabant mit dem vergleichsweise größten Mond – fast eigentlich ein Doppelplanet. Auch seine starke Bahnneigung und die Exzentrizität ließen in den letzten Jahren die Vermutung aufkeimen, Pluto sei möglicherweise nur ein etwas spezieller Kleinplanet. Doch eben: Wo liegen eigentlich die Grenzen zwischen einem Planeten und einem Kleinplaneten?

Clyde Tombaught entdeckte den Pluto im Februar 1930 mit einem 33cm-Astrografen und einem Blinkkomparator auf dem Lowell Observatory. Bei den Namensvorschlägen geisterten zunächst Namen wie Zeus, Chronos und sogar Lowell herum. Pluto, der angebliche Vorschlag eines 11-jährigen Mädchens sei dann auch deshalb akzeptiert worden, weil in diesem Namen Lowells Initialen PL enthalten sind, wird noch heute kolportiert.

Jens Kandler skizzierte abschließend den heutigen Wissenstand: Nachgewiesen wurden eine Rotationszeit von 6,39 Tagen sowie Methan-Eis auf der Oberfläche. Pluto scheint auch eine Atmosphäre zu haben, was dann allerdings gegen seine Natur als Kleinplanet sprechen würde. Der aus den Verfinsterungen von Pluto und Charon abgeleitete Durchmesser wird mit 1150 bis 1215 Kilometer angegeben. – Weitere und vor allem auch neue Erkenntnisse werden von der Raumflugmission „New Horizon“ erwartet, die im kommenden Januar starten soll.
VdS-Journal zum Thema Kleinplaneten

Aus Gerhard Lehmanns Rückschau auf die Entwicklung der FG Kleinplaneten ist viel Positives zu vermelden. Im Zeitraum von 1997 bis heute stieg die Mitgliederzahl von 28 auf momentan 66 aus vier verschiedenen Ländern. In dieser Zeit wurden 91’000 KP-Positionen ermittelt. 950 Neu- und Wiederentdeckungen runden die eindrückliche Gesamtbilanz der Fachgruppe ab.

Gerhard erinnerte an das VdS-Journal Nr. 20, das schwergewichtig über Kleinplaneten berichten wird. Er stellte ein mögliches Inhaltsraster vor und bittet um aktive Mitarbeit. Redaktionsschluss ist übrigens der 28. Januar 2006.
Aus der Beobachtungs-Praxis

Mit Joachim Lorenz aus Hormersdorf in Sachsen berichtete ein erfahrener Praktiker über seine Erfahrungen mit einer CCD-Kamera ST-9XE von SBIG. Sie enthält einen Kodak-Chip 261 E mit 512 x 512 je 20 Mikrometer großen Pixeln. Die Quanteneffizienz liegt bei 67 %. Die Kamera enthält für das Nachführen einen TC237-Chip, der mit seiner Größe fast immer problemlos einen Nachführstern findet. Das Auslesen der Bilder erfolgt über eine USB2-Schnittstelle in traumhaften 0,7 Sekunden.

Lorenz setzt die Kamera an seinem 300mm/f6-Newton auf einer Alt-5-Montierung ein. Die Reichweite mit diesem Gerät liegt bei einer 5-minütigen Belichtungszeit bei 19,5 m. Im Jahre 2004 wurden mit dieser Kamera 1333 Positionen vermessen. Acht Neuentdeckung sowie drei Wiederentdeckungen runden die schöne Bilanz ab. Die Kamera sei wirklich empfehlenswert, meinte der Referent, besonders für längerbrennweitige Instrumente.

Mit Wolfgang Ries aus Altschwendt in Österreich bestritt ein weiterer Praktiker den letzten Vortrag dieser Tagung. Seine Station A44 entstand auf seinem Bauernhof im Eigenbauverfahren mit einem Gesamtaufwand von gerade mal 5000 Euro. Unter einer Alu-Kuppel steht ein 12-Zoll-Newton/f6, der mit einer SXV H9-Kamera von Starlight Express bestückt ist. Eine kleine Zusatzkamera übernimmt im Off-Axis-Verfahren die Nachführung. Der Rechner für die Teleskopsteuerung und die Aufnahmespeicherung steht unter der Teleskop-Plattform.

Mit einem bunten Bogen ganz besonders schöner Astro-Aufnahmen setzte Wolfgang Ries den sehr passenden Schlusspunkt zu einer in jeder Hinsicht tollen Tagung. Dass sich auch auf manchen Bildern die Strichspuren von Asteroiden befinden, war dabei das abrundende Tüpfelchen auf den „i“. Gespannt darf man darauf sein, was dieser Sternfreund uns in nächster Zeit noch serviert; der begabte Handwerker nämlich einen 18-Zoll-Spiegel in Arbeit…
Reise in die Vergangenheit

Etwa 30 Tagungsteilnehmer fuhren nach dem Mittagessen auf der Starkenburg nach Heidelberg, wo sie unter der Führung des Ex-Heppenheimers Dr. Holger Mandel und seines pensionierten Kollegen Dr. Gerhard Klare (Asteroid 1825) eine ganz besondere Führung durch die Landsternwarte erwartete. Dieser Abstecher in das einstige Reich von Max Wolf, der ab 1890 mit der damals neuen Methode der Himmelsfotografie Pionierarbeit auch auf dem Gebiet der Kleinplaneten leistete, war für alle Tagungsteilnehmer ein eindrückliches Erlebnis. Im kleinen Museum, das heute im ehemaligen Ost-Institut untergebracht ist, begegneten sie dem vollständig erhaltenen Refraktor mit den beiden 6-Zoll-Kameras, mit denen Max Wolf noch von seiner Privatsternwarte in der Märzgasse aus einen Kometen und mehrere Kleinplaneten entdeckte. Den ersten Asteroiden fand er übrigens am 22. Dezember 1891 mit einer 5-Zoll-Einzeloptik, wobei dieser erste fotografische entdeckte Kleinplanet von ihm den Namen (323) „Brucia“ bekam.

Das berühmte Bruce-Teleskop, das einer großzügigen Stiftung der amerikanischen Wissenschaftsmäzenin Miss Catherine Wolfe Bruce (1816 – 1900) entsprang, bestaunten die Fachgruppenmitglieder fast ehrfürchtig, obwohl dieser 40cm-Doppelastrograf nicht mehr in allen Teilen erhalten ist und längst ausgedient hat. Und auch der 70 cm-Waltz-Reflektor, mit dem Wolf am 11. September 1909 den damals 16m hellen Halleyschen Kometen wieder entdeckt hatte, ist noch vorhanden – allerdings massiv umgebaut und mit einer neuen Optik ausgestattet.

Max Wolf hat zeitlebens ein sehr enges und intensives Verhältnis zu Kollegen und auch zu Amateurastronomen gepflegt und vielen Anliegen und Wünschen von ihnen entsprochen. Er ist sich immer bewusst gewesen, dass auch er seinen fulminanten Weg zu den Sternen einst als bescheidener Liebhaber begonnen hatte und dabei Unterstützung genießen durfte.
Melancholisches zum Schluss

Doch was würde der renommierte und für uns Kleinplaneten-Enthusiasten so vorbildliche Astronomie-Professor Max Wolf wohl sagen, wenn er bei unseren heutigen Amateuren die modernen Ausrüstungen zur Asteroidenbeobachtung sähe? Was würde er dazu meinen, dass erfahrene Freizeit-Astronomen mittlerweile bei kosmischen Kleinkörpern sogar an Objekten jenseits der 21. Größenklasse herumwürgen? Würde er wohl akzeptieren, dass sich heute die Grenzen zwischen professionellen Astronomen und engagierten Amateuren zumindest in der Kleinplaneten-Arbeit so ziemlich verwischt haben? Wäre er erfreut, dass unweit der Stätte seines großen Wirkens am heutigen Wochenende rund 60 „redlich bemühte astronomische Laien“ sein großes Thema mit völlig anderen Mitteln in einem freundschaftlichen Treffen grenzüberschreitend diskutieren, analysieren, kritisieren und dann nach der Rückkehr in die heimischen Observatorien – auch fortsetzen? – Sicher ja!

Vom großen Asteroiden-Pionier gibt es aber auch in der Stadt Heidelberg unten noch sichtbare Spuren. Das Haus der Familie in der Märzgasse, von dessen Dach aus ihm sein Vater mit großzügigen Schenkungen erste astronomische Beobachtungen ermöglicht hatte, ist erhalten. Eine große Gedenktafel erinnert heute an der Fassade an seinen Aufbruch zu den Sternen.

Max Wolf ist am 3. Oktober 1932 nach monatelanger Krankheit auf seiner Bergsternwarte gestorben. Sein leider heute ziemlich ungepflegtes Grab, in dem auch seine 1965 verstorbene Gattin Gisela, geborene Merx, bestattet ist, liegt etwas versteckt im oberen Teil des Bergfriedhofes Heidelberg im Westen der Stadt. Anna und ich haben es am späten Sonntagnachmittag nach gut zweistündiger, schweißtreibender Suche und vielen, erheiternden und anregenden Dialogen mit lokalen Friedhofbesuchenden doch noch gefunden. Wir wollten dem großen Forscher einige Minuten des Gedenkens widmen.

Es stellten sich uns in dieser kurzen Zeit der stillen Einkehr und der Besinnung auch einige Fragen. Die Antworten darauf, so will es uns heute in der Rückschau scheinen, finden wir in der Inschrift des großen Grabsteins, das diesen besonderen Ort kennzeichnet. Mit großer Mühe und nachträglicher Literaturhilfe entzifferten wir folgenden stellenweise abgewitterten Vierzeiler:


Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre durch der Gestirne
Kraftvoll geordneten Lauf nach des Erhabnen Gesetz.
Mit dem Forschenden öffnen sie ihre Tiefe und schaudernd
Spürt ich die göttliche Hand, die sie mit Liebe erschuf.


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