2008 TC3: Erd-Impaktor erfolgreich beobachtet

Ein Bericht von Matthias Busch
Starkenburg-Sternwarte e.V. Heppenheim
Es war am späten Montag Abend, 6. Oktober 2008, als ich nach 23 Uhr noch einmal meine E-Mails abrief. Ich dachte mir nichts weiter dabei und wollte anschließend ins Bett gehen. Daraus wurde aber nichts! Ich bemerkte, dass auf der Minor Planet Mailing List (MPML) helle Aufregung herrschte. Um 15:54 Uhr MESZ hatte Bill Gray hier gemeldet, dass ein Objekt, was unter der Bezeichnung „8TA9D69“ auf der NEO Confirmation Page des Minor Planet Center (MPC) gelistet war, mit sehr großer Wahrscheinlichkeit (ca. 90%) auf die Erde treffen würde! Aufgrund seiner geringen Größe sollte der Mini-Asteroid aber nur einen spektakulären Feuerball verursachen.
Schnell war klar, dass der ca. 2-3 Meter große Brocken auf jeden Fall einschlagen würde. Nachdem der Asteroid – während hier Tag war – von Australien aus weiterverfolgt wurde, erschien das Entdeckungs-MPEC und der Asteroid bekam damit eine offizielle Designation: 2008 TC3.
Als Zeit für die Kollision wurde 7. Oktober 2008 4:46 MESZ errechnet, also noch in der gleichen Nacht! Auch der Ort auf der Erde wurde immer genauer bestimmt: im nördlichen Sudan, mitten in der Wüste. Fraglich ist natürlich, ob und wie große Einzelteile es letztlich bis auf den Boden geschafft haben ohne zu verglühen.
Ein Blick nach draußen verhieß nichts Gutes – fast geschlossene Wolkendecke, lediglich am Horizont zwei Sternchen zu sehen. Es half nichts – bei einem solchen Event muss man es zumindest versuchen! So fuhr ich noch nach Mitternacht auf die Sternwarte und machte schnell die Kuppel auf und beobachtungsbereit.
Immerhin war es das erste Mal überhaupt, dass ein Asteroidentreffer vorhergesagt wurde und das Objekt vor dem Einschlag entdeckt wurde!
Ich habe 2008 TC3 an unserem 45cm-Newton mit CCD drei Stunden verfolgt und ständig Dauerfeuer gegeben. Auf nur 8 Aufnahmen waren Sterne zu sehen, die wurden natürlich gleich abgespeichert. Auf einer einzigen Aufnahme war 2008 TC3 deutlich abgebildet bei einer Helligkeit von 15 mag. Das war um 2:52 MESZ – weniger als 2 Stunden vor dem Impakt um 4:46 MESZ! Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits eine Geschwindigkeit von 180″/min, was extrem schnell ist – einen schnelleren Asteroiden haben wir noch nie beobachtet.
Immerhin von 4:30 bis 7 Uhr habe ich dann noch geschlafen, um 3:30 die Sternwarte zugeschlossen…
Hier ist die von Wolken durchzogene Aufnahme:

07.10.2008, 02:52:18 MESZ, 5 sec.
Ganz Europa war am Beobachten und steuerte Astrometrie (Positionsmessungen) im Minutentakt bei. Das Minor Planet Center machte dabei einen sehr guten Job bei der zeitnahen Verteilung – es erschienen sage und schreibe 25 MPECs. Meine einzige harterkämpfte Messposition ist im MPEC 2008-T72 enthalten. Ich glaube ich habe mich noch über keine Positionsmessung eines Asteroiden so gefreut wie über diese. Bei klarem Wetter wäre es ein leichtes gewesen…
Ich war einer von zwei Beobachtern in Deutschland, die 2008 TC3 astrometrierten – Rolf Apitzsch (198 Wildberg) im Schwarzwald erwischte ihn auch.

Ich habe inzwischen einmal alle 566 in den MPECs veröffentlichten Positionsmessungen von allen Sternwarten zusammengesammelt und am Himmel darstellen lassen, um einen Eindruck vom Parallaxeneffekt von 2008 TC3 in den letzten Stunden seines Kamikazefluges zu bekommen. Das Ergebnis ist umwerfend – man sieht schön, wie die Positionen sehr schnell auseinanderdriften, während er näher kam:

Original-Grafiken: große / kleine Version
Meine einzige kleine Position ist die südlichste im halblinken Bereich, da ich einer der nördlichsten Beobachter war. Peter Birtwhistle (J95 Great Shefford) war in England zugange – zu ihm gehört die komplette untere Reihe. Die oberste gehört zum südlichsten Beobachter – J47 Nazaret auf den Kanaren.
Inzwischen habe ich die Bilder nochmals angeschaut und den Asteroiden auch auf drei weiteren Aufnahmen finden und vermessen können.
Interessante Links zu 2008 TC3:
Gustavo Muler (J47 Nazaret) hat einen schönen Film von 2008 TC3 erstellt, auf dem man einen deutlichen Lichtwechsel erkennt. Inzwischen weiß man wohl, dass TC3 „taumelte“, also um mindestens zwei Achsen rotierte.
Reiner Stoss und das Team des erfolgreichen Amateur-Surveys von J75 La Sagra in Spanien haben den Asteroiden aufgenommen, als er eine Stunde vor dem Impakt in den Erdschatten eintauchte und danach natürlich nicht mehr beobachtbar war.
Pasquale Tricarico erstellte eine sehenswerte Animation der letzten Stunden vor dem Einschlag aus Sicht des Asteroiden.
Der Wettersatellit Meteosat-9 erwischte den Eintritt des Asteroiden 2008 TC3 in der Atmosphäre.
Das Bild einer ägyptischen Webcam am Roten Meer wurde durch den verglühenden Asteroiden hell erleuchtet.
Nach dem Fall des Asteroiden wurden umfangreiche Suchaktionen im Sudan von der NASA zum Auffinden eines möglichen Meteoriten gestartet, die sehr erfolgreich verliefen.
Die gefundenen  Meteoriten sind unter dem Namen „Almahata-Sitta“ bekannt. Der Meteorit ist ein sogenannter „Ureilit“, ein kohliger Achondrit.
https://de.wikipedia.org/wiki/2008_TC3
https://de.wikipedia.org/wiki/Ureilit
„Almahata-Sitta“ bezeichnet die nahe zum Fundort gelegene Bahnstation .
Mikroskopaufnahmen eines Bruchstücks von Almahata-Sitta
Größe des Bruchstücks: 7 x 6 x 1 mm, Gewicht: 0,12g


Weitere Artikel:
NASA Near Earth Object Program
CfA Press Release
Sterne und Weltraum
Spiegel Online
Wikipedia
Lokale Presse:
Bergsträßer Anzeiger
Darmstädter Echo

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