Kleinplaneten-Tagung 1999 – Bericht Griesser

Tagung der VdS-Fachgruppe
Kleinplaneten vom 26.-27.06.99 in Heppenheim

Ein Bericht von Markus Griesser, Winterthur (Schweiz)  –  E-Mail

Treffen der Kleinplaneten-Spezialisten

In Heppenheim in Südhessen (Deutschland) fand über das Wochenende vom 25. bis 27. Juni eine Tagung der Kleinplaneten-Beobachter aus dem deutschsprachigen Raum statt. Die Veranstaltung der Vereinigung der Sternfreunde e.V. wurde von den Sternfreunden aus Heppenheim – selber sehr aktive und erfolgreiche Planetoiden-Beobachter – organisiert. Die gut instrumentierte Starkenburg-Sternwarte oberhalb des Weinstädtchens Heppenheim bot für die über 40 Spezialisten ein ideales Forum; dazu gewährten Matthias Busch und seine Kolleginnen und Kollegen den zum Teil von weit her angereisten Sternfreunden eine Gastfreundschaft, die weit über das übliche hinaus ging. Untergebracht waren die Gäste in einer Pension im Nachbardorf. Dort blieb dann auch Zeit für den Aufbau und die Pflege freundschaftlicher Kontakte.

Hochwertiges Vortragsprogramm

Im Zentrum der Tagung standen Kurzreferate. Den Auftakt machte Werner Hasubick über „Visuelle Beobachtungen von Kleinplaneten“. Der Referent belegte anhand einiger Beispiele, wie in Einzelfällen sogar erdnahe Objekte direkt am Teleskop erspäht werden können. Doch bei Helligkeiten um die 14. Größe braucht es dazu schon eine rechte „Lichtkanone“.

Martin Federspiel zeigte dann mit eindrücklichen Beispielen, wie sehr sich dank den hochpräzis ausgemessenen Sternpositionen des Satelliten Hipparcos auch die Genauigkeiten in der Vorhersage von Sternbedeckungen durch Asteroiden verbessert haben. Hier geht es dann darum, den Lichtabfall des Sterns zeitlich möglichst genau zu erfassen. Aus den Beobachtungen sind dann Rückschlüsse auf die Form des jeweiligen Kleinplaneten möglich, wie der Referent an einem Beispiel darlegte.

Software vom feinsten

EasySky„, so lautet der Titel eines neu entwickelten Planetariumsprogramms mit großartigen Möglichkeiten, das vom Gastgeber Matthias Busch, einem Computerfachmann von Beruf wegen, entwickelt worden ist. Sein Schwerpunkt liegt auf der Darstellung von Planetoiden-Positionen und -Bewegungen. Es kostet deutlich unter 100 Mark, braucht allerdings, um gerade für Kleinplaneten-Darstellungen nützlich zu sein, den originalen und leider nicht sehr einfach erhältlichen Hubble Guide Star Catalogue dazu. Auf diesem Programm basierte dann ein Diskussionsbeitrag von Wolfgang Ernst über das sogenannte Hilda-Dreieck. Gemeint ist damit eine merkwürdige leichte Massierung von Kleinplaneten in einer dem Jupiter genau gegenüberliegenden Stelle, die mit den bekannten Trojaner-Asteroiden ein gleichseitiges Dreieck bildet. Offenbar sind auch hier Resonanz-Erscheinungen des Riesenplaneten mit im Spiel. Sehr bekannt scheint das Phänomen aber offenbar nicht zu sein.

Interessante Informationen aus professioneller Sicht

Dr. Peter Kroll, ein Profi-Astronom der Sternwarte Sonneberg aus Thüringen, berichtete in seinen Ausführungen von den finanz- und zeitintensiven Bemühungen, die umfangreichen Plattenarchive der bekannten ostdeutschen Sternwarte in digitale Form überzuführen und über das Internet allgemein zugänglich zu machen. Wie wichtig solche Maßnahmen sind, unterstrichen mit Andreas Doppler und Arno Gnädig zwei der weltweit besten Rechner von Planetoidenbahnen. Die beiden Amateure (!) wirken an der Archenhold-Sternwarte in Berlin und sind der Fachszene vor allem durch ihre Identifikationen von früher beobachteten Kleinplaneten bekannt geworden. Die Namen Doppler und Gnadig tauchen auch mit schöner Regelmäßigkeit in den Zirkularen des Minor Planet Center auf.

Ein Genuss und Gewinn selbst für gestandene Kleinplaneten-Freaks war dann das Referat von Dr. Gerhard Hahn, Berlin, über „Erdnahe Asteroiden und Kometen – deren Ursprung, Dynamik und physikalische Eigenschaften“. Hahn, einer der wenigen Astronomen, die sich von Berufs wegen im deutschen Sprachraum mit der faszinierenden Thematik der NEO’s (Near Earth Objects) befassen, unterstrich einmal mehr, wie wichtig ein weltweit koordiniertes Vorgehen in der Beobachtungsarbeit ist. Darin haben selbstverständlich auch die Amateure ihren Platz.

Sternstunden mit kosmischen Kleinkörpern

Dem Schreibenden blieb es dann vorbehalten, über „Sternstunden in Winterthur“ zu berichten. Auf der heuer 20jährigen Sternwarte Eschenberg wurden bis heute über 1.000 Einzelbeobachtungen vor allem an erdnahen Planetoiden und mit beachtlichen Genauigkeiten ausgeführt. Natürlich stellte der Referent aber auch Winterthur, die in Wandlung begriffene Industriemetropole mit sehenswerten Kunstschätzen und einem interaktivem Technikmuseum, kurz vor.

Auf anspruchsvollem Niveau und mit etlichen mathematischen Erläuterungen stellte Martin Federspiel die Software BAHNVERB vor, mit der Kleinplanetenbahnen berechnet werden können.

Dr. Gerhard Hahn machte in einem zweiten Kurzreferat auf das von Frankreich und Deutschland gemeinsam betriebene Asteroidensuchprogramm ODAS aufmerksam. Obwohl dieses Programm mit einer sehr hochwertigen Ausrüstung in Südfrankreich arbeitet, hat es gegenüber den übermächtigen Suchprogrammen namentlich der US Air Force (Projekt LINEAR) einen schweren Stand. Dazu fehlt es an Finanzen.

Aus der Beobachtungspraxis

Gerhard Lehmann, der Leiter der Fachgruppe Kleinplaneten aus Drebach, stellte die neue CCD-Kamera ST-8E von SBIG mit einigen Aufnahmebeispielen vor. Er hatte Gelegenheit, eine solche Kamera, die mit ihrem neu entwickelten Kodak-Chip auch im blauen Spektralbereich empfindlich ist, in der Praxis zu testen. Er kam allerdings zu einem eher ernüchternden Resultat. Erwin Schwab aus dem Heppenheimer Team unterstrich diese Skepsis mit seinem Bericht über die ebenfalls neue Kamera AP7 von Apogee, die zwar weniger Komfort bietet und auch teurer ist, aber doch messbar tiefere Magnituden erreicht. Eine solche Kamera steht heute am 45cm-Newton der Starkenburg-Sternwarte im Einsatz.

Multifunktionales Computerprogramm

Der Vortrag „Astrometrie mit PAP98“ von Markus Kempf aus Stuttgart stellte eine vor allem in Frankreich weitverbreitete, multifunktionale Kleinplaneten-Software vor. Sie enthält ein Planetariumsprogramm, eine Kamera-Steuerung, einen Astrometrieteil und kann auch noch für die Bildbearbeitung eingesetzt werden. Zwar hat das Programm bei einem verhältnismäßig bescheidenen Preis viele Möglichkeiten, doch die betont kritische Diskussion der anwesenden Kleinplaneten-Cracks brachte dann deutlich hervor, dass PAP eben gleichwohl nicht ganz die „eierlegende Wollmilchsau“ ist.

Arno Gnädig, ein an der Archenhold-Sternwarte in Berlin wirkender Rechenspezialist für Kleinplanetenbahnen, zeigte anhand einiger Beispiele, wie er und sein Kollege Andreas Doppler in den Aufnahmen des Digital Sky Survey die mitaufgezeichneten Spuren von Kleinplaneten für Identifikationen benutzen. Manche definitive Nummer ist dank solcher Identitäten in sehr kurzer Zeit ermöglicht worden.

Über die Ziele der Spaceguard Foundation orientierte in einem dritten Kurzreferat Dr. Gerhard Hahn. Dem Ärmsten war die Tasche mit allen Unterlagen bei der Abreise aus der Pension abhanden gekommen. So referiererte er aus dem Stegreif, und tat dies gekonnt. Er ermunterte die anwesenden Amateure, in der SGF mitzuarbeiten.

Ungeliebte Planetoiden-Jagden

Dr. Freimut Börngen, der heute im Ruhestand lebende, liebenswürdige Berufsastronom aus Tautenburg bei Jena, schilderte in bewegenden Worten, wie er und seine Kollegen zu DDR-Zeiten sich nur in ihrer Freizeit der Planetoiden-Jagd widmen durften. Das große Schmidt-Teleskop in Thüringen zeichnete zwar hunderte von Kleinplaneten auf, doch das Ausmessen dieser Strichspuren galt in der ambitiösen DDR-Forschergemeinde als nicht sonderlich schick. So verlegte Börngen die Kleinplanetenjagd eben in seine Freizeit, und dies gleichwohl mit gutem Erfolg. „Die große Familie der Planetoidenbeobachter“ kommt eben dann zum Zug, wenn es darum geht, uneigennützig einige Beobachtungen auszuführen und damit einem Kollegen zur Sicherung seiner Entdeckung zu verhelfen. Der sympathische Fachmann unterstrich mit seinen Ausführungen aber auch den Sinn einer Zusammenarbeit zwischen Profis und Amateuren.

André Knöfel aus Düsseldorf präsentierte in einer beeindruckenden Computer-Show die bisherigen und noch geplanten Raumflugmissionen zu Kometen und Kleinplaneten. Man darf gespannt sein, wieviel von den vielen vorgesehenen Missionen auch tatsächlich in die Praxis umgesetzt werden.

Eine erfolgreiche Tagung

Insgesamt war diese Tagung eine eindrückliche Sache. Kleinplanetenbeobachter sind ja extreme Individualisten und lassen sich in ihren Beobachtungsstrategien nicht gerne in die Karten gucken, aber sie schätzen wenigstens die freundschaftliche Verbundenheit über Interessen- und Landesgrenzen hinweg. Dazu sind sie fanatische Beobachter und lassen sich auch von daher nur schwer an eine Tagung bringen. Der Zeitpunkt der Tagung – Ende Juni und erst noch Vollmond – trug diesem Vorbehalt allerdings geschickt Rechnung. Und so freuen sich die Teilnehmerinnnen und Teilnehmer bereits auf die nächste Tagung. Sie soll Mitte Juni 2000 in Essen stattfinden.

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