Planetenweg: Neptun

Text: Martin Metzendorf, Starkenburg-Sternwarte e.V.

Geschichte
Kein Planet besitzt eine so spannende Entdeckungsgeschichte wie der Neptun (Abb. 1).

Abb. 1 Neptun

Der Gasriese hat mehrere Entdecker, nur war ihnen das nicht bewusst bzw. interpretierten sie ihre Beobachtungen nicht richtig.
Galileo Galilei hatte bereits im Dezember 1612 und Januar 1613 den Planeten in seinem selbstgebauten Fernrohr gesehen, ihn aber als Fixstern oder als Jupitermond gewertet.1, 13
Der Franzose Michel Lefrançois de Lalande beobachtete Neptun im Mai 1795 zweimal, war sich dann aber über seine eigenen Notizen nicht sicher.2

Im Jahr 1781 hatte Wilhelm Herschel den Uranus entdeckt und auch hier gab es schon einige frühere Sichtungen, nur waren sie nicht als neuer Planet erkannt worden.3
Eine 1812 von dem französischen Astronomen Alexis Bouvard erstellte Tabelle mit Daten der Umlaufbahn des Uranus4 zeigte bei Nachbeobachtungen Abweichung von den errechneten Werten. Bouvard folgerte daraus, dass diese entweder „ …auf Ungenauigkeiten der alten Beobachtungen beruht, oder ob sie von einem äußeren und unbekannten Einfluss herrührt, der möglicherweise auf den Planet [Uranus] eingewirkt hat.“5

Daraufhin setzte sich der englische Mathematiker und Astronom John Adams das Ziel das Uranus-Rätsel zu lösen und berechnetet 1843 die Umlaufbahn eines fiktiven achten Planeten. Die Bitte Adams, seine Berechnungen durch einen anderen „Königlichen Astronom“ überprüfen zu lassen verlief im Sande.
Ohne Kenntnis der Adamsschen Untersuchungen stellte 1846 der französische Mathematiker Urbain Le Verrier (Abb. 2) ebenfalls Berechnungen an, die jedoch auch keine Beachtung fanden.
Erst als die Kunde von Le Verriers Berechnung in England bekannt wurde, beauftragte der Direktor des Royal Greenwich Observatory George Biddell Airy den englische Astronom James Challis mit dem Northumberland-Teleskop in Cambridge und den Berechnungen von Adams nach dem neuen Planet zu suchen.6, 7  Am 30. Juli und 12. August 1846 hatte Challis tatsächlich den neuen Planet im Sichtfeld seines Teleskops. Da er aber bei der Auswertung seiner Aufzeichnungen nur einen Teil der Beobachtungsdaten heranzog, fiel das Erkennen des neuen Planeten dieser Nachlässigkeit zum Opfer.8

Da sich zwischenzeitlich in Frankreich niemand gefunden hatte, auf Grund der Daten von Urbain Le Verrier, nach dem neuen Planeten zu suchen, bat Le Verrier den an der Berliner Sternwarte (ehemals am heutigen Besselpark) tätigen deutschen Astronomen Johann Gottfried Galle (Abb. 3) um Hilfe. Die Berliner Sternwarte verfügte, dies war Le Verrier bekannt, über den zweiten Refraktor (Abb. 4), den die Fraunhoferschen Werkstätte gebaut hatten. Diese Linsenteleskope waren sowohl in der Größe und Qualität als auch in der Präzision der mechanischen Montierung bis dahin unerreicht.9

 

Abb. 2 Urbain Le Verrier
Abb. 3 Johann Galle
Abb. 4 Fraunhofer-Refraktor der Sternwarte Berlin

Galle fand zusammen mit seinem dänischen Assistenten Heinrich Louis d’Arrest und dank der neuen und genauen Berliner-Sternkarte in der Nacht des 23. September 1846 den neuen Planeten. Um sicher zu sein, folgten weitere Beobachtungen. Erst daraufhin schrieb Galle an Le Verrier, dass der neue Planet, tatsächlich an der von ihm berechneten Stelle, existiert.

Nun folgte viel Streit, zunächst um die Namensgebung. Nach Monaten heftiger Diskussion zwischen englischer und französischer Seite setzte sich schließlich der Namen Neptun – der römischen Gott des Meeres – in der Fachwelt durch.
Eine völlig eigene Geschichte ist die jahrzehntelange Kontroverse um die Entdeckerehre (Le Verrier versus Adams oder beide). Britische Astronomen reklamierten diese nachträglich zu Ehren Adams.10 Erst 1998 (!), nach dem Wiederauftauchen der sog. „Neptune Papers“ in Chile11, gab es Stimmen, die zugunsten des Franzosen Urbain Le Verrier plädierten.12

Orbit und Himmelsmechanik
Der Neptun ist der achte und äußerste Planet des Sonnensystems.
Seine Umlaufbahn ist nahezu kreisförmig. Der sonnenfernste und der sonnennächste Punkt (Aphel u. Perihel) weichen nur um 0,676 AE von einander ab, sodass man die Entfernung mit 30,047 AE = 4.495 Mio. km angeben kann. Seine Umlaufzeit um die Sonne beträgt 164,8 Jahre.
Die Bahnebene ist mit 1,7692° gegen die Ekliptik (Bahnebene der Erde) nur sehr leicht geneigt.

Größe, Aufbau und Form
Mit einem Durchmesser von 49.528 km ist er vier Mal so groß wie die Erde. Seine Masse beträgt ca. 17 Erdmassen, genau 1,024 · 1026 kg, und die Fallbeschleunigung beträgt 11,5 m/s² (Erde 9,81 m/s²).

Die mittlere Dichte ist mit 1,638 g/cm³ erheblich geringer als die der Erde (5,5 g/cm³). Im Vergleich zur Erde benötigt er für eine Umdrehung nur 15 Stunden und 58 Minuten. Dies ist für einen so großen Planeten relativ schnell und hat zur Folge, dass der Durchmesser an den Polen etwa 1000 km geringer als am Äquator ist. Zum Vergleich: die Abplattung der Erde beträgt von Pol zu Pol nur 43 km. Die Rotationsachse ist mit 28,32° etwas mehr geneigt als die der Erde mit 23,44°.

Aufbau und Atmosphäre
Die Abb. 5 zeigt den inneren Aufbau von Neptun: 1= Obere Atmosphäre mit oberster Wolkenschicht, 2= Atmosphäre (Wasserstoff, Helium, Methangas), 3= Mantel (Wasser, Ammoniak, Methaneis), 4= Kern (Gestein und Metall).

Abb. 5 Aufbau des Neptun

Die Temperatur in oberster Schicht der Atmosphäre beträgt ca. -201 C°. Dies entspricht fast der gleichen Temperatur wie die des Uranus, obwohl Neptun 1,6 mal soweit von der Sonne entfernt ist wie der siebte Planet, und somit deutlich weniger Wärme von der Sonne erhält. Ergo, im Inneren muss eine Wärmequelle vorhanden sein. 

Nach Innen hin nehmen die Temperatur und der Druck zu, sodass es keine klare Grenze zwischen Atmosphäre und fester Oberfläche gibt. Dieser Mantelbereich besteht aus Wassereis mit Methan- und Ammoniak-Anteilen und ist der Grund für die Bezeichnung Gasriese.
Der feste Kern ganz im Inneren besteht aus Gestein und Metall und ist ungefähr so groß wie die Erde. Seine Masse dürfte der Erdmasse vergleichbar sein. Die Temperatur liegt bei 7.000 C°.
Die Atmosphäre besteht aus Wasserstoff (80%), Helium (19%) und Methan (1%) und weist hohe Windgeschwindigkeiten bis hin zu 2.100 km/h auf. So lassen sich bemerkenswerte Wetterphänomene, u. a. Cirruswolken und Wirbelstürme, beobachten. Abb. 6 zeigt Stürme in der Neptun-Atmosphäre (1989): Great Dark Spot (oben), Scooter (mittlere weiße Wolke), Small Dark Spot (unten).
Die schöne intensive blaue Farbe des Neptuns lässt sich nur zum Teil auf das Methan zurückführen. Die weiteren Faktoren dafür sind noch nicht geklärt.

Abb. 6 Wetter auf Neptun

Magnetfeld
Im Gegensatz zum Erdmagnetfeld mit zwei Polen besitzt das Magnetfeld des Neptuns vier Pole mit je zwei Nord- und Südpolen (sog. Quadrupolfeld). Die Ursprung des Magnetfeldes dürfte im Mantelbereich liegen.

Ringsystem
Neptun hat ein ausgeprägtes, zum Teil komplexes Ringsystem (Abb. 7 und Abb. 8), welches einer erstaunlichen Dynamik unterliegt. So sind einige Ringe nicht vollständig und andere Ringe haben ihre Länge geändert oder gar eine getauschte Materie.

Abb. 7 Ringe und Bögen des Neptun
Abb. 8 Ring-Diagramm des Neptun

Entwicklungsetappen
Über die Entstehung des Neptuns (sowie des Uranus) gibt es sehr unterschiedliche Theorien. Allgemein wird zzt. die Wanderungshypothese favorisiert. Dabei haben sich Neptun und Uranus näher zur Sonne hin gebildet und sind dann nach Außen gewandert.

Beobachtungen von der Erde
Mit bloßem Auge ist Neptun von der Erde aus nicht sichtbar, dafür ist seine relative Helligkeit zu gering (7,8 mag). Am Herbsthimmel zeigt er sich in einem Fernrohr als sehr kleines bläuliches Scheibchen.

Mit einem professionellen Teleskop, lassen sich Strukturen (Bänder und Zonen) in der Atmosphäre erkennen. Letztere können sich ändern und lassen so auf Wettergeschehen schließen.

Monde
Neptun hat 14 Monde. Der größte trägt den Namen Triton (Abb. 9) und wurde bereits wenige Wochen nach der Galle-Entdeckung durch den englischen Astronomen William Lassell entdeckt. Neptun wird von Triton entgegen seiner Rotationsrichtung umrundet. Dreizehn Monde sind nach Meeresgöttern benannt.

Abb. 9 Mond Triton von Voyager 2 aufgenommen

Erforschung durch Raumsonden
Vieles, was wir heute über Neptun wissen, verdanken wir der Weltraumsonde Voyager 2 (Abb. 10). Nach einer zwölf Jahre dauernden Reise flog sie 1989 an dem Gasriesen vorbei und funkte Bilder zur Erde (Abb. 11).
Mit dem Weltraumteleskops Hubble wurde der 14. Neptunmonde Hippocamp (Fabelwesen der Antike) entdeckt, sowie eine Dynamik in den Ringbögen bemerkt.

Abb. 10 Voyager 2 Sonde
Abb. 11 Flugbahn von Voyager 2

Erläuterung:
AE: Astronomische Einheit.
       Die sind 149.597.870,70 km und entspricht dem mittleren Abstand zwischen Erde und Sonne. 

Quellenangaben und weiterführende Informationen/Links:
1 „…1610…1613… Der Himmel über „Die vier Jahreszeiten“ “ (Galileis Neptun-Beobachtung im Januar 1613) von Joos de Momper  https://userpage.fu-berlin.de/~history1/bs/jensd/16xx/1613.htm

2 „The Observations of Neptune by Lalande in 1795“ By E. M. Standish (JPL/CalTech), 1993, bibcode:1993BAAS…25.1236S

3 Frühere Uranus-Sichtungen gab es durch Flamsteeds 1690, Mayers 1756, Lemonnier 1760, siehe:
„Die Akte Neptun · Die abenteuerliche Geschichte der Entdeckung des 8. Planeten“, Tom Standage (Autor), Sonja Schuhmacher (Übersetzer), Thomas Wollermann (Übersetzer), BvT Berliner Taschenbuch Verlag, Januar 2004, ISBN 3-8333-0014-0, Seite 67f und 72

4 A. Bouvard (1821): Tables astronomiques publiées par le Bureau des Longitudes de France, Paris, FR: Bachelier (bibcode:1821tapp.book…..B).

5 „Die Akte Neptun · Die abenteuerliche Geschichte der Entdeckung des 8. Planeten“, Tom Standage (Autor), Sonja Schuhmacher (Übersetzer), Thomas Wollermann (Übersetzer), BvT Berliner Taschenbuch Verlag, Januar 2004, ISBN 3-8333-0014-0, Seite 87

6 „Die Neptun-Affäre“ William Sheehan, Nicholas Kollerstrom und Craig. B. Waff, Spektrum der Wissenschaft, April 2005, Seite 82 – 88, hier Seite 87

7 siehe 5, Seite 138 – 141

8 siehe 5, Seite 142

9 Deutsches Museum, https://artsandculture.google.com/asset/refraktor-der-k%C3%B6niglichen-sternwarte-berlin/8QH-rTdLxT_eUg?hl=de

10 siehe 5, Seite 153 – 177

11 „Recovering the Neptune files“ By Nicholas Kollerstrom, RAS research, October 2003  Vol 44, p 5.23 – 5.24, http://www.dioi.org/kn/neptunefile.pdf

12 siehe 6, Seite 88

13 siehe 5, Seite 266


Alle wissenschaftlichen Angaben zum Neptun sind entnommen aus:
Steckbrief: Neptun – der äußerste Planet, Spektrum der Wissenschaft, 09.05.2014
https://www.spektrum.de/wissen/neptun-der-aeusserste-planet/1203974

und
Neptun (Planet), wikipedia.de abgerufen am 16.08.2021, https://de.wikipedia.org/wiki/Neptun_(Planet)

Bildnachweis
Abb. 1
  Neptun aufgenommen von Voyager 2 am 20. August 1989
https://photojournal.jpl.nasa.gov/jpeg/PIA01492.jpg

Abb. 2  Urbain Le Verrier
User Magnus Manske on en.wikipedia – Originally from en.wikipedia; description page is (was) here 11:42, 28 July 2004 Magnus Manske 669×851 (56,791 bytes) ({{PD}} from [http://web4.si.edu/sil/scientific-identity/display_results.cfm?alpha_sort=N])

Abb. 3  Johann Gottfried Galle
Wikipedia Germany : http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Gottfried_Galle

Abb. 4  Fraunhofer-Refraktor der Berliner Sternwarte
Deutsches Museum, https://artsandculture.google.com/asset/refraktor-der-k%C3%B6niglichen-sternwarte-berlin/8QH-rTdLxT_eUg?hl=de

Abb. 5  Der innere Aufbau Neptuns: ① obere Atmosphäre, oberste Wolkenschicht ② Atmosphäre (Wasserstoff, Helium, Methangas) ③ Mantel (Wasser, Ammoniak, Methaneis) ④ Kern (Fels, Eis)
NASA; Pbroks13 (redraw) – http://solarsystem.nasa.gov/multimedia/gallery/Neptune_Int-browse.jpg, which is in the public domain

Abb. 6  Stürme in der Neptun-Atmosphäre (1989):  ● Great Dark Spot  (oben)  ● Scooter  (mittlere weiße Wolke)  ● Small Dark Spot  (unten) http://photojournal.jpl.nasa.gov/catalog/PIA01142

Abb. 7  Der Adams-Ring und der Leverrier-Ring. Im Adams-Ring treten von außen nach innen die Ringbögen Egalité, Fraternité und Liberté hervor. (Voyager 2, Aug. 1989)
NASA/Voyager 2 Team – http://photojournal.jpl.nasa.gov/catalog/?IDNumber=PIA01493

Abb. 8  Ringsystem mit einigen Mondbahnen (maßstabsgerecht)
Original: Ruslik0 Vektor: Mrmw – Eigenes Werk, basierend auf: Neptunian rings scheme.png

Abb. 9  Farbmosaik-Foto von Triton, 1989 aufgenommen durch Voyager 2
NASA / Jet Propulsion Lab / U.S. Geological Survey – http://photojournal.jpl.nasa.gov/catalog/PIA00317

Abb. 10  Künstlerische Darstellung der Voyager-Sonde im All
NASA/JPL – http://solarsystem.nasa.gov/multimedia/display.cfm?IM_ID=2194

Abb. 11  Flugbahnen der Voyager-Sonden
wikipedia.de, Author: Stauriko – Own work, 2. August 2015, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Voyager_trajectories.svg

Weitere Neptun-Fotos, siehe https://photojournal.jpl.nasa.gov/target/Neptune

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