Kleinplaneten-Tagung 2008 – Bericht Griesser


Tagungsbericht

von Markus Griesser, 151 Winterthur

Zum dritten Mal in Heppenheim

Gegen 70 Kleinplanetenfreunde wollten am 14./15. Juni an die diesjährige Fachtagung kommen, doch nach der sechzigsten Anmeldung war Schluss: Mehr Personen gehen in den frisch renovierten Vortragsraum der Starkenburg-Sternwarte selbst mit der Notbestuhlung beim besten Willen nicht rein. Doch auch auf einer harten Sitzfläche ließ sich das überaus vielfältige, lehr- und abwechslungsreiche Vortragsangebot einfach nur genießen…

Und wieder wollte die Tagungsteilnahme mit der denkwürdigen Anfahrt über die einfach unbeschreibliche Straße hinauf zur Starkenburg verdient sein. Die Stadt Heppenheim legt offenbar Wert darauf, Deutschlands buckligste Bergstraße im Ur-Zustand des Mittelalters zu erhalten. Wer über dieses wellige Kopfsteinpflaster mit mehr als einer Pferdestärke und schneller als im Schritttempo hoch reitet, ist schließlich selber schuld! Glücklicherweise investieren alle per Auto angereisten Sternfreunde ihr Geld statt in tiefer gelegten Sportwagen lieber in hoch gelegten Teleskopen! Und so war für alle tröstlich, dass die zahnplombenerschütternden Fahrten hinauf und hinunter wenigstens ohne Kratzer an der Ölwanne und ohne Verlust des Auspuffs verliefen.

Mit „Marco Polo“ zurück zur Erde

Nach den Begrüßungen durch Rainer Kresken für die Starkenburg-Sternwarte, Otto Guthier für die VdS und Gerhard Lehmann für die Fachgruppe Kleinplaneten startete Detlef Koschny fulminant den bunten Vortragsreigen. Er arbeitet bei der ESA in Holland unter anderem an Projekten zu erdnahen Asteroiden und konnte sozusagen aus erster Hand über aktuelle Entwicklungen berichten. Die NEO Sample Return-Mission mit dem viel sagenden Namen „Marco Polo“ soll im Jahr 2023 eine Probe eines erdnahen Asteroiden zur Erde zurückbringen, wobei als Zielkörper der Asteroid (65679) 1989 UQ erste Priorität genießt. Die sehr komplexe Mission soll 2017 starten, nach einem Swingby – Manöver an der Venus vorbei 2020 beim Objekt der Begierde ankommen und dann nach zwei Jahren den Rückflug antreten. Der Rücksturz des sehr massiv und hitzefest gebauten Probebehälters auf die Erdoberfläche erfolgt dann ungebremst mit etwa 12 km/s. Momentan laufen Industriestudien an. Erst im Herbst 2009 wird darüber entschieden, ob die Mission auch wirklich stattfindet oder wie so manche andere auch schon wieder in der Schublade verschwindet.

Detlef Koschny berichtete aber auch von kleineren Projekten in der ESA-Pipeline, die nicht viel kosten, aber doch sehr interessant sind. Dazu gehört der geplante Aufbau eines europäischen Datenzentrums für NEOs, wobei hier NEODyS heute schon Basisarbeit leistet. Auch Studien zur Abwehr von die Erde bedrohenden Asteroiden gehören dazu. Für gut ausgerüstete Amateure sollen bei diesen Projekten nach wie vor Nischen für sinnvolle Beiträge bleiben, wohl weniger in der Astro- als eher in der Photometrie. Um die nötigen Grenzgrößen zu erreichen, sind allerdings große Teleskopöffnungen nötig.

Mit GAIA den Himmel erobern…

Mit Rainer Kresken vom ESOC in Darmstadt stellte ein weiterer Profi eine schon weit fortgeschrittene Mission vor, welche die Arbeit von uns Kleinplanetlern massiv verändern dürfte. GAIA ist eine massive Weiterentwicklung des Astrometrie – Satelliten Hipparcos, mit dessen Hilfe hochpräzise Sternkataloge erarbeitet werden konnten. Doch GAIA soll mit noch höheren Messgenauigkeiten, die noch eine Euromünze auf dem Mond erkennen ließen, und mit einer sehr tiefen Grenzgröße bis zur 20. Größenklasse hinunter sozusagen alles erfassen, was da am Himmel an Asteroiden und Kometen herumschwirrt. Dazu stehen auch Novae und Supernovae, braune und weiße Zwergsterne, aktive Galaxien und auch Exoplaneten in der Target List dieses kosmischen Superauges. Böse Aussichten also für uns Sternfreunde, doch dürfte uns schon einiges früher Pan-STARRS das Leben schwer machen. Immerhin besteht dank GAIA auch die Möglichkeit, Erd- und Venus-Trojaner zu finden – so sie denn überhaupt existieren. Und außerdem dürften dank der sehr präzisen Astrometrie die Bahnbestimmungen an Asteroiden (auch an den von uns entdeckten Brocken) um einen Faktor 30 besser als heute ausfallen. Der Start von GAIAist übrigens auf 2012 vorgesehen.

Erfreuliche Fachgruppen-Entwicklung

Nach diesen zukunftsorientierten Präsentationen tat Gerhard Lehmanns bodenständiger Blick in die statistische Entwicklung der Fachgruppe Kleinplaneten richtig gut. Doch welch ein Kontrast! Aber eben: Unser Fachgruppen-Obmann ist ein Meister von all dem, was sich mit Tabellen, Säulen, Sektoren und anderen Farbkringeln darstellen lässt. Böse Zungen behaupten, Gerhard kenne sogar die durchschnittliche Schuhgröße der Fachgruppen-Mitglieder und ermittle mit Akribie auch deren mittleres Schlafdefizit – besonders jenes in Schönwetter-Katastrophen… Doch im Ernst: Gerhard Lehmann leitet eine der aktivsten Fachgruppen des VdS und ist auch zu Recht stolz auf deren Entwicklung. Details sind in der Kleinplaneten-Seite und auch den Rundbriefen zu entnehmen, doch einige Schlüsselzahlen seien hier genannt: Seit 1998 ist der Mitgliederbestand in der Fachgruppe Kleine Planeten um satte 170% (!) auf 81 angestiegen. In der FG sind heute 53 Sternwarten mit Obs-Codes vertreten, die inzwischen über 130.000 Positionsmessungen von 17.000 Kleinplaneten beim Minor Planet Center abgeliefert haben. Und die Zahl der neu entdeckten Asteroiden hat mittlerweile die magische Zahl 1.000 deutlich überschritten! Ein sehr schöner Leistungsausweis für „Amateure“! Und ein herzlicher Dank auch an den FG-Obmann, der die Gruppe so umsichtig und effizient führt.

Wenn der Vater nicht mit dem Sohne…

Er ist ein glücklicher Familienvater, hat zwei Kinder, wohnt nahe an der holländischen Grenze und er wollte eigentlich seinen Sohn hin zur Astronomie führen. Doch als der Kleine von Papa Frank Hauswald einen 60mm-Refraktor geschenkt bekam, lief die Geschichte plötzlich ganz anders: Vom „Virus Sterngucken“ wurde nicht etwa der Filius erfasst, denn der wanderte schon bald zur Playstation ab–, sondern der Papa, und wie: Bald leistete der sich einen 114mm-Newton-Reflektor. Es folgten ein C8, der Bau einer Dachsternwarte und schließlich das anspruchsvolle Selbstbau-Observatorium im Garten. Als Besonderheit und wegen der nahen Straßenlampen wählte unser Freund für das hölzerne Schiebedachhäuschen und den selbst geschliffenen 16-Zöller auf einer Gabelmontierung zusätzlich eine Stoffkuppel im Häuschen drin. Und seit dem 4. Februar dieses Jahres ist Frank Hauswald endlich auch stolzer Besitzer eines MPC Codes und hortet nun seine nächtlichen Eroberungen unter der Nummer B60. So darf man eigentlich nur noch gespannt sein, was da noch an weiteren Taten folgen. Denn wie sagte der Referent so schön: „Der Weg ist das Ziel!“, eine Lebensweisheit, die mittlerweile auch seine Familie – inklusive des Playstation –Nutzers unbesehen unterschreiben dürfte.

Superlative auf Österreichisch

Der sympathische Österreicher Richard Gierlinger berichtete schon an der letzten Kleinplanetentagung in Berlin vom Bau seiner Sternwarte mit einem 610mm-Newton. Die Art und Weise, wie er dieses Mega-Projekt anging, ließ schon damals mehr als einen engagierten Asteroiden-Freund die Frage stellen: „Wie macht der das nur?“ Doch Neid ist ein schlechter Ratgeber. Fleiß und Können hingegen, und das ließ der Referent nur sanft anklingen, sind die Meister jedes Erfolges. Mittlerweile weist die Palmarès von Richard Gierlinger 72 Neufunde, hauptsächlich in der Größenklassen von 20 bis 22 m und dazu den ersten benannten Kleinplaneten aus: „Schaerding“ heißt der zu Ehren des Sternwartenstandorts. Doch angesichts dieser beeindruckend tollen Leistung ist eigentlich auch der Name „Gierlinger“ überfällig. Man darf gespannt sein, wer aus unserer Fachgruppe ihm diese Ehre zukommen lässt.

Gerade mal zwei Jahre nach der Inbetriebnahme seines Observatoriums greift unser so fleißiger Sternfreund bereits noch weiter nach den Sternen: Im Bau ist ein 700mm-Newton auf einer Gabelmontierung mit allerlei technischen Verbesserungen. Da der offenbar handwerklich äußerst geschickte Richard Gierlinger wiederum das meiste im Selbstbau erledigt, bleiben die Kosten für dieses 1,8 Tonnen schwere Teleskop einigermaßen im Rahmen, d.h. bei grob geschätzten 30.000 Euro allein fürs Material. Und weil er nun schon mal dran sei, baut er für seinen ebenfalls sehr erfolgreichen Freund Wolfgang Ries auf der Station A44 gleich noch eine Gabelmontierung mit.

Neues von den Faulkes – Teleskopen

Mit den beiden 2-Meter-Faulkes-Teleskopen auf Maui (Hawaii) und Siding Spring (Australien) sind zwei gigantische Sehmaschinen im Einsatz, wie Lothar Kurtze in seinem spannenden Referat nach dem Mittagessen auf der Starkenburg aus erster Hand berichtete. Wegen der langen Brennweite (f/10) umfasst das Gesichtsfeld der 2k-CCDs zwar nur gerade 4,5′ Seitenlänge, doch dafür ist die Reichweite mit ca. 22 mag in ungestackten Aufnahmen traumhaft. Inzwischen konnte der erste hier entdeckte Asteroid auch schon benannt werden. In Würdigung einer Region in Wales heißt er nun (129092) Snowdonia, übrigens mit Einwilligung der mit der Entdeckung verbundenen Schulklasse. Schöne und wissenschaftlich wertvolle Erfolge gelangen dazu bei rasch rotierenden NEOs mit photometrisch abgeleiteten Rotationslichtkurven. So konnte die Rotationszeit beim Asteroiden 2008 GP3 zu 112 Minuten und bei 2008 HJ sogar zu schwindelerregenden 42 Sekunden bestimmt werden.

Die Faulkes-Teleskope stehen im Ausbildungsbereich schwergewichtig für die Projekte englischer Schulen im Einsatz. Um die Teleskope künftig zu entlasten, ist der Bau von je vier 40cm-Teleskopen geplant, auf denen sich die oft unerfahrenen Lehrpersonen erst qualifizieren müssen, bevor sie dann an eines der beiden 2-Meter-Geräte rangelassen werden.

Lothar Kurtze berichtete auch von einem Pilotprojekt mit einer Schule aus der Region Heppenheim-Weinheim. Astronomie hat offenbar in den deutschen Schulplänen je nach Bundesland in mehreren Fächern Platz. Da würde eine gelegentliche Beobachtungsmöglichkeit auf einem professionellen Teleskop natürlich völlig neue Perspektiven eröffnen. So kann man dem Referenten, der allerdings noch bis zum Jahresende stark von seiner Promotionsarbeit absorbiert ist, nur viel Glück und Erfolg wünschen. Teleskope können auch völkerverbindend wirken– – im Internet-Zeitalter sowieso…

Ein ganz normaler Fernsehstar

Mit Ranga Yogeshwar war der beliebte Moderator der populärwissenschaftlichen TV-Reihe Quarks & Co auf der diesjährigen Tagung zu Gast. Zur Kleinplanetentagung erschien aber eben nicht der TV-Star, sondern ein überaus kompetenter Tagungsteilnehmer und begeisterter Sternfreund, hatte Ranga Yogeshwar in seiner Ausbildung einst Teilchen- und Astrophysik studiert. Doch in seinem ersten Referat warb er weniger für die Kleinen Planeten als für die kleinen Menschen, unsere Kinder. Das IYA 2009 sei eine Riesenchance, sagte er und knüpfte dabei an die sehr positiven Erfahrungen beim Venus-Transit von 2004 an: Rund 500 Schulklassen in Deutschland, Ägypten, Russland, Australien und China hatten damals aus ihren Beobachtungen die Sonnenparallaxe selber abgeleitet und kamen in ihren Resultaten der tatsächlichen Erddistanz erstaunlich nahe. Mit dem Projekts stars@school sollen nun die damaligen sehr positiven Erfahrungen grenzüberschreitend fortgesetzt werden. Der Referent nannte als Ideen beispielsweise die weltweite Vernetzungen kleinerer Sternwarten und deren Anbindung an große Observatorien. Die Entwicklung und der Austausch von Unterrichtseinheiten, gemeinsame Beobachtungskampagnen sowie der Betrieb einheitlicher Internetplattformen auf der Basis von Open Source-Programmen könnten über Stiftungen oder wenigstens zum Teil auch über die nationalen Bildungsorgane finanziert werden. Dass Ranga Yogeshwar mit seinen Anregungen auf fruchtbaren Boden gestoßen ist, zeigte dann die anschließend sehr rege Diskussion.

Mit Pre-Coveries den eigenen Fund sichern

Erwin Schwab -– er ist ein astrometrisches Urgestein aus der Heppenheimer Schule mit solidem Know-how und noch größerem Humor -– berichtete in seinem sehr praxisorientierten Referat über die heute jedermann möglichen Archiv-Recherchen in den Datensammlungen von NEAT. Es handelt sich um im Internet abrufbare CCD – Aufnahmen der drei NEAT-Stationen 566, 608 und 644, wobei die ziemlich unterschiedlichen Grenzhelligkeiten zu beachten sind: Liegen die Grenzgröße bei den Stationen 566 und 608 bei 19.5m, so reichen die Aufnahmen von 644 in Einzelfällen gar bis zur Größe 20.9m.

Auf der Online verfügbaren Plattensuchmaschine Skymorph wird das gesuchte Objekt eingegeben und nach kurzer Rechenzeit listet dieses nützliche Tool alle möglichen Felder aus dem NEAT- oder auch aus dem DSS-Archiv auf. Man kann sich dann die in Frage kommenden Bildpaare oder auch -– sofern vorhanden –- Triplets runterladen, wobei man die Bildgröße auf etwa 1000 bis 2000 Pixel beschränken sollte. Wichtig für die Nachsuche ist noch, dass man sich auf der Seite „Astplot“ des Lowell Observatory die LOV des gesuchten Objektes anzeigen lässt. Mit „Love“ hat dies allerdings nichts zu tun, denn wie einst Arno Gnädig in der ersten Berliner Kleinplanetentagung aufgezeigt hat, reduziert sich der mutmaßliche Aufenthaltsort des Asteroiden nicht auf eine Streuellipse, sondern auf die „Line of Variation“, eben die LOV. In ihrer Nähe sollte das Objekt unserer Begehrlichkeit dann auch zu finden sein, wobei erst die Verschiebungsrichtung und der Verschiebungsbetrag weitere Hinweise darauf geben, ob man wirklich das richtige Objekt gefunden hat. Als letzter Test bindet man nach der Vermessung mit Astrometrica die ermittelten Positionen in den vorhandenen Datensatz ein, prüft dann die Residuals mit FindOrb, prüft im Ephemeriden-Service des MPC die Daten der bereits vorliegenden Beobachtungen und übermittelt erst nach dieser Überprüfung die Resultate unter dem entsprechenden ObsCode ans MPC.

Eine Lektion in angewandter Mathematik

Anspruchsvoll wurde es mit dem Referat von Professor Joachim Schubart, der 1982 und dann nochmals in den neunziger Jahren am Heidelberger Astronomischen Recheninstitut bahnbrechende Arbeiten u.a. auch über die eigenartige Bahnen der Hilda – Asteroiden publiziert hatte. Sein Schweizer Kollege Paul Wild von der Universität Bern widmete ihm einen Asteroiden, wobei der (1511) „Schubart“ natürlich ein Hilda ist, und auch noch ein besonderer: Er scheint eine Gruppe von bis heute 16 identifizierten Asteroiden anzuführen, die wahrscheinlich Trümmerstücke eines Mutterkörpers sind. Professor Schubart erläuterte in seinem Referat die bahnspezifischen Besonderheiten der Hildas, die in einer 3:2-Resonanz zum Riesenplaneten Jupiter mit zusätzlichen Überlagerungen weiterer Planetenresonanzen begründet liegen. Die anschauliche Folge davon ist, dass in einer grafischen Darstellung aller Hildas im Sonnensystem eine merkwürdige Dreiecksformation entsteht. Und in einer dynamischen Darstellung kann man verblüfft mitverfolgen, wie die Hildas dem Riesenplaneten wie die Katzen einem Hund scheinbar aus dem Wege gehen.

Als Matthias Busch vor zehn Jahren an der ersten Kleinplaneten – Tagung in Heppenheim sein geniales Planetariums-Programm EasySky mit praktischen Beispielen vorstellte, war auch diese Hilda-Graphik unter den gezeigten Anwendungen. Doch keiner der Anwesenden wusste damals, woher diese auffällige Dreiecksformation rührte. Dabei hatte Professor Schubart seine Arbeiten bereits publiziert, aber eben: Sie erfordern solide Kenntnisse der höheren Mathematik, und die sind offenbar auch bei Sternfreunden mit guten Ausbildungsgängen nicht in jedem Fall vorhanden. Doch weil es bekanntlich gerade für angefressene Amateurastronomen nie zu spät ist, um zu neuen Erkenntnissen zu gelangen, sind wir dem Herrn Schubart für diese späte Aufklärung ganz besonders dankbar.

Meteoriten von der Vesta

Der von 1807 von Heinrich Olbers in Bremen entdeckte Asteroid Vesta zeigt in seinem Reflexionsspektrum auffällige Übereinstimmungen mit Meteoriten, die unter der Sammelbezeichnung HED Clan geführt werden. André Knöfel, der sich neben seiner Beobachtertätigkeit auch mit Meteoren und Meteoriten beschäftigt und eine eigene Meteoritensammlung besitzt, erläuterte in seinem spannenden Referat die spezifischen Eigenschaften der Diogenite, Eukrite und Howardite. Ihnen gemeinsam ist das hohe Alter von 4,4 bis 4,5 Milliarden Jahre. Da Aufnahmen mit dem Hubble-Teleskop andeutungsweise einige größere Kraterformationen auf der Vesta erkennen lassen, könnten sowohl diese Meteorite als auch die Vestoiden vom Asteroiden Nummer 4 stammen. Genaueren Aufschluss soll die Dawn-Mission bringen, die nach dem Start im Jahr 2011 und vierjährigem Flug auf der Oberfläche der Vesta aufsetzen soll. Die Instrumente an Bord dieser Sonde sind dann unter anderem auch für Untersuchungen ausgelegt, die diese Frage klären sollen.

Massenbestimmungen – heute und in Zukunft

Mike Kretlow beschäftigt sich schon seit Jahren mit den Massenbestimmungen von Asteroiden und stellte deshalb die heutigen dafür gängigen Methoden kurz vor. Die klassische Methode basiert auf den gravitativen Effekten, wie sie beispielsweise bei nahen Begegnungen von Asteroiden oder auch in Doppelsystemen beobachtbar sind. Der Referent führt auf seiner Homepage (sky-lab.net) eine Liste der 2008 relevanten nahen Begegnungen und ist froh, wenn sich auch FG – Mitglieder das eine oder andere Ereignis mit möglichst präziser Astrometrie begleiten. Auch Radarbeobachtungen können für Massenbestimmungen heran gezogen werden, wobei sich die Radartechnik allerdings grundsätzlich nur für NEAs eignet, die sehr nahe an die Erde herankommen.

Da mit Sterndeckungen sehr präzise Durchmesser- und Form-Ermittlungen möglich sind, lassen sich auch Hinweise auf die Masse ableiten. Und schließlich können dafür auch Rotationslichtkurven genutzt werden.

Nur eine Opposition?

Immer wieder wird von Amateuren beklagt, dass heute nur noch mit großen „Töpfen“ sinnvolle Asteroidenarbeit geleistet werden könne. Jens Kandler zeigte jedoch am Beispiel des 7-Zoll-Refraktors in der Sternwarte Drebach, wie man an One-Opposition-Asteroiden wirklich nützliche und erwünschte Beobachtungen ausführen kann. Asteroiden, die nur in einer einzigen Opposition beobachtet werden konnten, zeigen bei der nächsten Erdannäherung oft große Abweichungen zur (gerechneten) Sollposition. Das schon vorhin erwähnte Internet-Tool Astplot des Lowell-Observatoriums leistet hier sehr nützliche Dienste, indem man sich für das gesuchte Objekt einen Sternkartenausschnitt mit der LOV erstellen lässt. So kann man dann sehr gezielt Suchfelder fahren, denn der Asteroid sollte in der Nähe dieser Linie stehen und dazu die erwartete Bewegung in Richtung und Betrag zeigen.
Vorsicht ist allerdings bei großen Abweichungen geboten: Ein solches Objekt könnte auch ein Neuer sein. In diesem Fall sollte man unbedingt die zweite Nacht abwarten und ihn dann wie eine Erstsichtung mit einer eigenen Designation ans MPC übermitteln. Sollten wir jedoch wirklich das One-Opp-Objekt gefunden haben, wird das MPC unseren Neufund automatisch linken und wir werden dann eine entsprechende Designation mit Klammer mitgeteilt bekommen.

Auf rauen Wegen zu den Sternen

Ausgesprochen vergnüglich startete dann am Sonntagmorgen Detlef Koschny in die Tagung. Er hat im heimischen Garten mit der ausdrücklichen Zustimmung des Familienrates, wie er unterstrich, eine hübsche Sternwarte mit einem 16-Zoll-Cassegrain gebaut und bei allen Bauschritten tüchtig selber Hand angelegt. Aber eben, mit dem Heimwerken ist es so eine Sache: Gar so manche Falle lauert auf den zwar willigen, aber halt leider Gottes auch sehr unerfahrenen Hobby-Handwerker. In zehn Lektionen und mit vielen anekdotischen Zwischenbemerkungen erläuterte der erfahrene Raumfahrtingenieur die Tücken seiner Objekte. Unbedingt sehenswert waren dabei die mit Tapes „verstärkten“ Beton-Schalungen für die Instrumentensäule oder auch die mit Bleiblechen und Dichtungsmasse nachgebesserten Dachdurchdringungen, die an einen überfahrenen Frosch erinnerten. Köstlich dann die Schilderungen, wie er mit seiner Video-Kamera bei Mondaufnahmen herausfand, dass nicht abgeschirmte Schrittmotoren am Teleskop zu Radiosendern werden, die Störsignale in die Videoaufzeichnungen zaubern. Doch eines muss man dem Detlef wirklich zu Gute halten: Die auf Befehl seiner Gattin vor den Sternwartefenstern angebrachten Geranienkisten sind einfach nur schön. Und sie lassen letztlich alle Widerwärtigkeiten, die beim Bau der Sternwarte aufgetreten sind, vergessen.

Jagd nach Millisekunden

Rolf Apitzsch sprach mit seinem Referat „Bestimmung der Aufnahmezeit von CCD-Aufnahmen“ eine Sorge an, die vor allem Beobachter von schnellen Objekten immer wieder beschäftigt. Schlechte Residuals werden häufig nicht etwa durch Abbildungs- oder Messfehler im Astrometrica verursacht, sondern durch Fehler in der automatisch gespeicherten Aufnahmezeit. Doch der in der Elektronik sehr erfahrene Referent wollte es ganz genau wissen. Und so installierte er mit einer selbst gebauten „Running Clock“, die mit Leuchtdioden auch noch Millisekunden anzeigte, einen Versuchsaufbau mit seiner CCD-Kamera, einer SXV-H9. Die so mit einer Tausendstel-Sekunde fotografierte Zeit verglich er mit der im Fits-Header gespeicherten Zeit und ermittelte mit ausgedehnten Messreihen eine konstanten Drift von 194 Millisekunden. In seinem Kamerasteuerprogramm Astroart fügt er heute einen Korrekturwert von 200 Millisekunden als konstante Korrekturgrösse ein und erfasst nun mit dieser statistischen Verbesserung sehr gute Zeiten auch und gerade bei kurzen Belichtungen. Wie Rolf Apitsch weiter berichtete, fiel hingegen der gleiche Versuch mit einer SBIG ST-6 und dem Steuerprogramm CCDObs katastrophal aus. Diese Kombination von Kamera und Software rundet rechnerunabhängig die Zeit jeweils auf die volle Sekunde, was bei Rapid Movern dann entsprechend schlechte Residuals bringt.

Ein Video Exposure Analyser

Herbert Raab stellte in seinem Referat über den Video Exposure Analyser (VEXA) ganz ähnliche Versuche des bekannten Sternbedeckungsspezialisten Herbert Dangl vor -– aber eben für Video-Kameras. Die Versuche ergaben im konkreten Fall einen Zeitversatz von 75 Millisekunden zur GPS-Referenzzeit, was laut Referent vernachlässigbar sei. Es ist übrigens ein VEXA-Leihgerät verfügbar. Am besten wendet man sich dafür direkt an Herbert Dangl (www.dangl.at).

Ein Survey für den kleinen Geldbeutel?

Seit tief reichende Surveys, auch himmlische Staubsauger genannt, den Himmel Nacht für Nacht nach neuen Objekten abscannen, sind Amateur-Entdeckungen schwieriger geworden. Jürgen Linder ist aber der Meinung, dass sich mit vereinten Kräften, also mit Interessengemeinschaften, sehr wohl noch was erreichen ließe. Die Idee des SBSS (= Small Budget Sky Survey) sieht das Zusammenführen von an Entdeckungen interessierten Amateuren vor. Jedes Gruppenmitglied stellt dabei in einer gemeinsamen Internetplattform seine Fotos zur Verfügung, wobei dann alle Interessenten nach Asteroiden, Kometen, Novae und Supernovae sowie nach Veränderlichen Sternen suchen könnten. Wie Jürgen Linder aber eingestand, sind bisher wenige Gruppenaktivitäten zu verzeichnen. Er selber spart momentan für die Beschaffung einer neuen digitalen Spiegelreflexkamera. Mit einem guten Equipment, so ist seine sicher nicht unbegründete Hoffnung, sollte auch mehr Schwung in die Sache kommen.

10 Wochen lang auf Meteoritensuche

Der in Polen geborene Thomas Kurtz arbeitete lange Zeit mit den Sternfreunden in Hannover. Jetzt lebt er in Schwaben, ist dort im Förderverein des Rieskrater-Museum Nördlingen aktiv und ist ein begeisterter Meteoriten-Fachmann. Nach dem berühmten und durch zahlreiche Allsky-Kameras bestens dokumentierten Fall des Neuschwanstein-Meteoriten wurden bis heute bekanntlich drei Stücke gefunden. Eines davon ist im Rieskrater-Museum zu bewundern. Der bekannte Meteor-Forscher Peter Heinlein grenzte das mutmaßliche Fallgebiet bei Neuschwanstein auf rund einen Kilometer ein, doch leider liegt dieses mutmaßliche Fundgebiet in sehr unwegsamem, steilem und von wildem Pflanzenwuchs überwucherten Gelände. Thomas Kurtz investierte für seine Suche nicht weniger als zehn Wochen seiner Semesterferien, kam für wenig Geld im örtlichen Ferienhaus des Alpenvereins unter und durchstreifte nun Tag für Tag das Gelände immer mit der Hoffnung, noch ein weiteres Meteoriten-Bruchstück zu finden. „Den Meteoriten habe ich zwar nicht gefunden, doch diese Zeit war eine tolle Lebenserfahrung!“ – fasst der junge Mann seine Eindrücke zusammen. Er genoss die Einsamkeit und die Ruhe, war von der hier oben noch weitgehend unverfälschten Natur begeistert und will dieses Jahr nochmals eine Ferienwoche für die Suche investieren. Wir drücken die Daumen!

Datenbank zu Sternbedeckungen

In seinem zweiten Referat stellte Mike Kretlow eine von ihm entwickelte Web-Datenbank zur Erfassung von Sternbedeckungen vor. Das Tool benutzt die von Eric Frappa unter euraster.net publizierten Daten. Unser Referent stellte daraus eine dynamische Web-Site zusammen und ergänzte die photometrischen Daten mit Angaben u.a. zum Durchmesser und zur Rotation aus der Datenbank des MPC. Die Datenbank enthält bis heute 5.750 Reports von 1.750 Bedeckungen aus Europa. Geplant ist aber eine Ausdehnung auf die weltweit verfügbaren Daten. Weitere Details sind unter der Seite sky-lab.net zu finden.

Zurück zum wahren Leben

In seinem zweiten Vortrag stellte Ranga Yogeshwar seine weitgehend selbstgebaute Gartensternwarte vor und bezeichnete dabei die Astronomie als Kontrastprogramm zu seiner TV-Tätigkeit. „Raus und gucken“ praktizierte er schon in seiner Jugend – mit dem Schminkspiegel seiner Mutter und einem Stück Kanalrohr. Heute greift der viel beschäftigte TV-Moderator, der eine durchaus kritische und gesunde Distanz zur Kunstwelt Fernsehen hat, mit einem feinen 12-Zoll-Astrografen nach den Sternen und genießt in stillen Sternstunden ganz einfach die Einsamkeit und die Ruhe in seinem Sternenhort. Ranga Yogeshwar unterstrich auch, wie wichtig ihm der selber erarbeitete ObsCode B43 ist. „Auf dieses Stück wahre Leben bin ich einfach stolz.“ Mit warmen Worten dankte er den anwesenden Sternfreunden für ihr Engagement und formulierte mit dieser spontanen und sympathischen Geste so zu sagen das Schlusswort.

Auf Wiedersehen in Frankfurt

Erwin Schwab blieb es dann noch vorbehalten, den nächsten Tagungsort vorzustellen: Es ist Frankfurt/Main, und als Termin wurde das Vollmond-Wochenende vom 5. bis 7. Juni 2009 genannt. Wir sind dann zu Gast im physikalischen Verein und werden im Tagungslokal, einem geräumigen Hörsaal, dann garantiert keine Platzprobleme haben. Einziger Wermutstropfen: Die Hotelpreise haben in Großstädten ein etwas anderes Niveau als eben in ländlichen Regionen.

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